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Begrenztheit

Das Zweifelnde ist also erstens etwas Unvollständiges. Descartes stellt zwar in seiner Methode den Zweifel an den Anfang, damit gilt aber nicht, dass der Zweifel die grundlegende Form des Umgangs mit der Welt sein kann. Aus dem methodischen Zweifel folgt, via Gottesbeweis, gerade, dass wir nicht an allem zweifeln können.
Jetzt aber, wo ich beginne, den Ursprung meiner selbst und meines Urhebers besser zu kennen, bin ich der Meinung, dass man zwar nicht alles, was ich von den Sinnen zu haben meine, ohne Weiteres zugeben, aber auch nicht alles in Zweifel ziehen darf.gif
Der Zweifel des denkenden Menschen erweist sich also gerade durch den radikalen Zweifelsversuch als nicht ganz voraussetzungslos.In einer wenig bekannten Notiz bringt Descartes Natürlichkeit, Nutzen und Zweifelsfreiheit in einen Zusammenhang:
Logik, Rhetorik, Poetik und ähnliche Künste, wie die Fechterei, schaden eher als dass sie förderlich sind, wenn sie gelernt werden, sie treiben uns nämlich dazu, das zu vergessen, was wir durch die Kraft der Natur, wenn wir nicht zögerten (si non dubitaremus), bestens täten (...) wie zum Beispiel die Bewegungen des Schwimmens, worüber die Tiere nicht nachdenken (non dubitant); wir jedoch als Zweifelnde müssen die Bewegungen des Schwimmens lernen, um zu schwimmen.gif
Dass Menschen zweifeln, erscheint also nicht durchaus als ein Vorteil gegenüber den Tieren.gif Der Intellekt ist erforderlich, da die unmittelbare Leitung durch die Kraft der Natur ihre Grenzen hat. Descartes äußert dies auch in Bezug auf die Leidenschaften.
Auch wenn dieser Nutzen der Leidenschaften der natürlichste wäre, den sie haben können, und wenn auch die Lebewesen ohne Vernunft ihr Leben allein mittels körperlicher Bewegungen führen, die denen ähneln, denen wir nachzugehen pflegen, (...) so ist dies doch keineswegs immer gut, denn es gibt auch eine Reihe Dinge, die für den Körper schädlich sind, die aber (...) Freude bereiten.gif
Es ist diese Begrenztheit, die das Denken auszugleichen strebt.
Deshalb müssen wir uns der Erfahrung und der Vernunft bedienen, um das Gute vom Schlechten zu unterscheiden und in seinem richtigen Wert zu erkennen.gif
Wieder steht hier das Nützliche im Gegensatz zum Rechten (rectum), parallel dazu stehen Leidenschaften als nützliche und der Verstand als Einsicht in das Rechte, das heißt in das Gute und Schlechte, in einem Gegensatz.gif Dass das menschliche Denken aus einer Begrenztheit heraus nötig wird, zeigt aber nicht einfach an, dass Menschen begrenzt sind. Auch Tiere sind, wenngleich sie ausgeprägtere Instinkte haben, begrenzt und es treibt sie nichts zum Denken -- wenigstens nicht laut Descartes. Das für den Menschen Wesentliche ist das andere Moment des Mangels: die Einsicht in die Mangelhaftigkeit. Der Mensch ist nicht nur ein unwissendes Wesen, sondern ein zweifelndes: Und zu zweifeln heißt, zu meinen oder wissen, dass man etwas nicht weiß. Der Zweifel, schreibt Descartes, ist begleitet von einer Idee des Wissens.gif
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