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Nach Gottes Tod (Ausblick)

 Wir glauben heute nicht mehr uneingeschränkt an den Schöpfergott. Nietzsche weist mit seinem bekannten Wort von Gottes Tod darauf hin, dass es kein fertig geschnürtes Paket menschlicher Möglichkeiten gibt, dessen Stifter der eine cartesische Gott wäre. Wir sind, was die Schaffung von Möglichkeiten angeht, auf uns zurückgeworfen.gifDie Annahme eines einzigen Ortes, an dem alle Möglichkeiten wirklich seien, unterstellt vor allem, dass überhaupt alle Vollendungen miteinander verträglich sind. Es gibt, so die Annahme, einen vorgeschriebenen Punkt, an den man gelangen kann, wenn man alles am besten macht.gif Dies können und sollten wir heute in Frage stellen.Es könnte sein, müssen wir uns sagen lassen, dass es diesen Ort, an dem alles Mögliche wirklich ist, nicht gibt. Es gibt keine Substanz, die alle Perfektionen, Möglichkeiten und Begriffe in sich vereinigt. Und es gibt nicht die eine Substanz, die die Notwendigkeit stiftet. Das bedeutet auch, dass es nicht nur den einen Standard der Rationalität gibt. Lovejoy schreibt:
Rationalität, wenn sie als vollständig, als alle Willkür ausschließend betrachtet wird, wird selbst auf eine Weise irrational. Da sie die vollständige Realisierung aller Möglichkeiten bedeutet, sofern sie zugleich möglich sind, schließt sie jede Begrenzung und jedes Auswahlprinzip aus.gif
Was es offenbar dennoch gibt, sind Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Bereiche von Begrifflichkeiten. Es gibt jedoch, aller Wahrscheinlichkeit nach, mehrere Horizonte, die solche Notwendigkeit und Möglichkeit stiften, die nicht untereinander verträglich sein müssen.Was wir, über Descartes hinaus, denken müssen, wenn wir seinen Gottesbeweis nicht akzeptieren, ist dieses: Wir sind endlich, es mangelt uns nicht an Vollkommenheit und dennoch gibt es Möglichkeiten.Was macht Möglichkeiten möglich, wenn nicht Gott? Dies ist eine schwierige Frage, zu der ich mir hier nur Andeutungen erlauben kann. Möglichkeiten werden etwa möglich durch Sprachlichkeit, im weiteren Sinn durch gemeinschaftliche Praxisformen und durch Kultur. Wo Descartes also einen seiner Kultur vertrauten Begriff Gottes eingesetzt hatte, muss für uns aller Voraussicht nach die Kultur selbst stehen.gif 
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