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Begriffe von Vermischtem

Wir hatten gesehen, dass Substanzen die Korrelate zu den klaren und deutlichen Begriffen sind, dass also etwas nur dann eine Substanz ist, wenn es einen klaren und deutlichen Begriff davon geben kann.Descartes unterscheidet nicht immer zwischen der Klarheit und Deutlichkeit von Ideen,gif jedoch nennt er Schmerz zwar klar, aber nicht distinkt.gif In dem Brief an Regius vom Januar 1642 begründet er dies:
Du kannst aber [erklären, dass Geist und Körper substanziell miteinander verbunden sind], wie ich [es] in der Metaphysik [getan habe]: Dadurch dass das, was wir durch das Schmerzempfinden wahrnehmen und alles andere, nicht eine reine Wahrnehmung des vom Körper verschiedenen Geistes ist, sondern vermischte (confusæ) Empfindung der tatsächlich vereinigten. Wenn nämlich ein Engel in einem menschlichen Körper wäre, würde er nicht wie wir empfinden, sondern nur die Bewegungen registrieren, die äußere Gegenstände bewirken, und dadurch würde er sich von einem wirklichen Menschen unterscheiden.gif
Auf den Vergleich des Menschen mit einem Engel werde ich in Kapitel 5 zurückkommen. Hier ist zunächst das Folgende wichtig. Ein deutlicher Begriff ist mit einer körperlichen Empfindung geradezu unvereinbar, so dass es zwar klare, aber keine deutlichen Empfindungen geben kann. An Elisabeth schreibt Descartes:
Die Dinge, die zur Einheit von Leib und Seele gehören, sind nur verworren vom Verstand allein erkennbar, und auch nicht [deutlicher] vom Verstand, unterstützt durch die Imagination. Sie sind aber sehr klar durch die Sinne erfahrbar.gif
 Das Gegenteil von Deutlichkeit (distinctio) ist Verworrenheit, zu Latein: confusio.gif Dies lässt sich auch direkt übersetzen mit Vermischung oder Verbindung. Was hier vermischt wird, sind die Redebereiche der Physik und der Metaphysik. Es liegt demgemäß nahe, dass Begriffe, die sich aus der Vermischung von körperlichem Empfinden und geistigem Denken ergeben, nicht deutlich sein können. Also können sie auch nicht von Substanzen handeln.gif Descartes scheint hier allerdings zwei verschiedene Arten, undeutlich oder vermischt zu sprechen, in einen Topf zu werfen. Erstens kann die Vermischtheit in der Mischung der beiden innerhalb der cartesischen Epistemologie gegebenen Redebereiche bestehen. Zweitens kann man von Konfusion sprechen, wenn Unterscheidungen überhaupt nicht getroffen werden und also auch nicht übergangen werden können. Ein reiner psychophysischer Parallelismus wäre auf die erste Art konfus, da er zwar klare Unterscheidungen trifft und respektiert, aber dennoch über beide getrennten Dinge, den Geist und die Materie, in einem Atemzug spricht. Was Descartes zum Verhältnis zwischen Leib und Seele sagt, ist eher auf die zweite Weise eine Vermischung von Geistigem und Körperlichem. Wie noch klarer werden wird, können nämlich die Dinge, die zur Einheit von Leib und Seele gehören, nicht allein einer der cartesischen Substanzen zugeschrieben werden. Sie sind irreduzibel.gifIndem er es vermeidet, den lebenden Menschen zu den Substanzen zu zählen, scheint Descartes darauf hinzuweisen, dass die Individualität des Menschen nicht wissenschaftlich begreiflich ist. Begreiflich ist nur die Individualität des menschlichen Geistes und dessen Verbindung zu einem abgrenzbaren Teil der körperlichen Welt.
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