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Menschen und Engel

 Descartes war zu dem Schluss gekommen, dass die Einbildung und Sinnesempfindung zwar Tätigkeiten des Geistes seien, aber nicht für das reine Denken wesentlich. Auf die Frage, wie man sich denn einen Geist ohne Einbildungskraft und Sinnesempfindung vorstellen solle, schreibt Descartes:
Dann wäre ich wie ein Engel, der keine Einbildung hat.gif
Den reinen Geist vergleicht Descartes auch in einem Brief vom März 1637 bereits mit dem Intellekt eines Engels.gif Mit diesem Bild ist eine ausgefeilte christliche Lehre von den körperlichen Erscheinungen der Engel verbunden.gif Ein Engel, wenn ich dies hier verkürzt darstellen darf, hat keine direkte Verbindung zu einem Körper. Einen eigenen Körper nimmt er nur an, um Menschen in Erscheinung zu treten, und dieser Körper ist für ihn, einen reinen Intellekt, ein Ding der Außenwelt wie andere auch. Insbesondere kann ein Engel keinen Schmerz fühlen und auch Bewegungen gehen nicht so vor sich, dass der Engel etwa unmittelbar mit der Hand seines Körpers etwas greift, sondern dass er buchstäblich mit seinem Geist die Muskelbewegung einleitet.gif Ein Engel muss also auch alles über seinen Körper wissen, nämlich welche Muskelbewegungen zum Bewegen der Hand im Einzelnen erforderlich sind, oder welche Gewebeveränderungen dem Körper abträglich sind, ohne dass er einen Tastsinn hätte oder Schmerz empfinden würde.gif Das ist vorstellbar, da ein Engel seinen Körper laut Annahme vollständig selbst konstruiert hat und beherrscht.Was den Menschen offenbar vom Engel gleichermaßen wie vom Automaten unterscheidet, ist, dass er Empfindungen hat. Der Automat hat keine Empfindungen, weil er nicht denkt, der Engel nicht, weil er nur denkt. Das macht Empfindungen und ebenso Sinneswahrnehmungen, Emotionen und Befindlichkeiten zu Vermittlern auch zwischen dem menschlichen Geist und dem menschlichen Körper.gif Ein solches Bild des Engels als Geist ist nicht wirklich der christlichen Tradition gemäß. Christliche Engel legen mitunter durchaus Gefühle an den Tag, wie Mitleid oder Angst.gif Ein reiner cartesischer Geist dagegen könnte nicht einmal ein moralisches Gefühl haben. Er hat kein Rechtsempfinden, sondern sieht lediglich klar, was Recht ist. Dies steht bereits fest, bevor klar ist, ob ein Engel einen Körper hat, so wie ein Mensch einen Körper hat. Die rationale Determiniertheit des Engels folgt nicht aus seiner Unkörperlichkeit, sondern gibt ihrerseits den Grund dafür ab, ihn als unkörperlich zu begreifen. Ein cartesischer Engel kann daher auch nicht wirklich gewissenhaft genannt werden. Er hat kein Gewissen, das ihn zur Aufrichtigkeit und Konsequenz treibt, sondern er ist die Aufrichtigkeit und Konsequenz in Person. Ein Rechtsempfinden, wie es ein lebender Mensch haben kann, entspringt eher einer gewissen Involviertheit in die Gemeinschaft und die Gefühle von Schmerz, Betroffenheit und Bedrohtheit gehen gerade über eine rein intellektuelle Schadens- oder Risikoberechnung hinaus.gif
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