Abendmahl

  • Magisterarbeit: Abendmahl.
  • Marion, A Propos de Suarez p. 118 weist auf die Relevanz der Abendmahldebatte hin.
  • Gassendi, Einwände: Geist und Körper wie Wasser und Wein vermischt.
  • Daß Descartes von einem Modell nur die Erfüllungeiner endlichen Menge von Forderungen erwartet, belegt auch der Ausgang seiner Eucharistie-Diskussion in den Quartae Responsiones.
  • Substanzen sind nicht selbst erkennbar (Eucharistie), AT VII 176, AT VII 222.
  • Locus Classicus (Substanz): Eucharistietraktat in den Sentenzen des Lombardus.
  • substantial union / transsubstantiation: AT IV 165 (Yandell).
  • Hoffman p. 326: It is not too surprising that a philosopher might contradict himself in trying to provide a metaphysics to ground both physics and the Eucharist.

Der Anlaß der Debatte

Da sie aber aßen nahm Jesus das Brot (arton), dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib (labete phagete, touto estin to swma mou - Mt 26,26)

Dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium bezieht sich offenbar auf die Verheissungen

Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm (Joh 6,56),

mit denen Jesus zu verstehen gibt, (1) daß er sich opfert, um (2) als internalisiert in den Glaubenden weiterbestehen zu können.
Siehe auch Dionys, Eccles. Hier. cap. 3 (über den Ablauf des Rituals); Augustinus In Joann., tr. 26.

An die Bibelstellen knüpft sich eine hochinteressante logisch-semantische Diskussion, nämlich um die Frage, wie das "das" in "das ist mein Leib" verstehbar sei.
Augustinus scheint noch keine Entscheidung zwischen einem signifikativ-spiritualistischen und einem symbolhaft-effektiven Verständnis der Vorgänge herbeizuführen (Hist. Wb. Philos., Sakrament).
Man unterscheidet einen ersten (9. Jh.) von einem zweiten (11. Jh.) Abendmahlstreit. Im ersten vertraten (u.a.) Hrabanus (776-856) und Joh. Scotus Erigena (800/15-872/5) eine eher Mysterienskeptische Theorie, die von Paschianus Radbertus, Abt von Corbie zurügewiesen wird:

Sed quia Christum vorari fas dentibus non est, voluit in mysterio hunc panem et vinum vere carnem suam et sanguinem consecratione spiritus sancti potentialiter creari (...) Ubi profecto non alium, quam veram carnem dicit et veram sanguinem, licet mystico; unde quia mysticum est sacramentum, nec figuram illud negare possumus; sed si figura est, quaerendum quomodo veritas esse possit (...): ut sit figura vel character veritatis, quod exercitus sentitur; veritas vero, quidquid de hoc mysterio interius recte intelligitur aut creditur. Non enim omnis figura umbra vel falsitas. (De Corpore et Sanguini Domini, aus der TRE, Art. Abendmahl)

Protagonisten des zweiten Abendmahlstreits sind Berengar von Tours (998-1088) und Lanfrank (ca. 1005-98, Jurist, Lehrer des Anselm von Canterbury). Eine herausragende Analyse erfährt das Problem später bei Ockham. Siehe dazu auch Gabriel Biel, Vocabularius Theologiae (1517) zur spätmittelalterlichen Eucharistielehre.

Quellen zur Diskussion:

Johannes-Evangelium

6, 54: wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am juengsten Tage auferwecken.
6, 60: viele seiner Jünger, die das hörten, sprachen: das ist ein harte Rede; wer kann sie hoeren?
6, 63: der Geist (pneuma) ist's, der da lebendig macht; das Fleisch (sarx) ist nichts nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben (zoe)

Glosse zu sth III 73 De Eucharistiae

(aus der Summa Theologica, ed. Kard. Joseph Pecci, Paris)
Errores circa veritatem Eucharistiae:
primi impugnantes hoc mysterium, fuerunt Capharnaitae et discipuli dicentes "durus est hic sermo", de quibus loquitur joann. 6. (...) - johannes scotus, erigena dictus, (...) suspectae fidei habitus est, circa praesentiam realem. (...)
Luther habe die praesentiam nicht direkt bestritten, sed impanationem sustinuit. seine Schüler jedoch, oecolampadius, carlostadtius, zwingli, helvetius, ochimius, petrus martyr, bucerus u.a., die sacamentarii genannt werden, bestreiten aperte, dass christi corpus realiter im Abendmahl praesent sei. quos etiam secuti sunt sociani, verborum christi sensum, juxta proprium uniuscuiusque ingenium detorquentes.
Zu nennen auch: Johannes Quidort von Paris, Dietrich von Freiberg. Als lediglich symbolhafte Handlung gilt die Eucharistie erst bei Barth, Bultmann etc.

Berengar, De sacra coena adversus Lanfrancum

(Prantl Bd. II, p. 72f) Zum Ausdruck kommt zunächst ein neues Selbstbewußtsein der Dialektik: ...ratione agere in perceptione veritatis incomparabiliter superius esse.

Nomina enim rerum ad differentiam rerum ipsarum quodammodo solitaria dici possunt, verbi gratia pronuntiatio nomine quod est 'terra', solius est terrae quod auditur, item audito eo quod est 'panis' ad plura non erit excurrendum; (...) Qui dicit 'panis altaris solummodo est corpus Christi', panem in altari esse non negat, (...) in aliam naturam translatae iam non possint esse illud (...) Omne enim quod est aliud, est in eo quod aliquid est, nec potest res ulla aliquid esse, si desinat ipsum esse; et ne obscurum, quod dico, remaneat, dicat aliquis 'Socrates est. Socrates iustus est', nullo modo Socrates iustus erit, si Socratem esse non contingeret (genaue Quelle bei Prantl angegeben).

Dieses einzige erhaltene Manuskript, das Berengars Ansichten für ihn vorteilhaft darstellt, wurde übrigens erst von Lessing in Wolfenbüttel gefunden (Kurt Flasch, Einf. in die Philosophie des Mittelalters, p. 43). In der dagegen von Kardinal Humbert (Bischof von Sylvia Candida) verfaßten professio fidei, die Berengar auf der röm. Synode 1059 beschwören mußte, komme "mythisch anmutender Realismus" zum Ausdruck; die 1079 in Rom vorgelegte Formel spricht "differenzierend von einer Wandlung der Substanz nach" (substantialiter converti, aus dem Lexikon Theol. & Kirche Bd. 3, Eucharistie).

Berengar wandte sich gegen eine Theorie, die im 9. Jahrhundert aufgekommen war, wonach beim Abendmahl das Brot aufhoeren muesse, Brot zu sein, um der wahre leib Jesu sein zu koennen. Berengar, von Beruf Lehrer der Grammatik und der Dialektik von Tours, wandte dagegen ein: wenn bei dem Satz "dies ist mein Leib" das Demonstrativpronomen "dies" auf die Substanz des Brotes hinweist, dann verliert der Satz seinen sinn, wenn man ein neues Subjekt, den physisch gedachten Leib Jesu, einfuegt. (Kurt Flasch, das philos. Denken im Mittelalter, Reclam 1986, p. 189)
Neben und schon vor dem Investiturstreit war die Berengar-Debatte die erste grosse literarische Diskussion in Europa seit dem Ende der antiken Welt. (ebd. 190)

Flasch diagostiziert in diesem Zusammenhang eine "völlig arglosen" Umgang mit dem Terminus res in den Schriften Augustins (ebd. p. 97f.):

sowohl in seiner Sprachphilosophie wie in seiner Sakramentenlehre stellte er die "Sache" (res) in den Mittelpunkt.

Dies wirke sich aus in der Streitfrage, ob das Brot nach der consecratio beim Abendmahl noch realiter (als res) Brot sei.

In diesem Diskussionszusammenhang stieß man auf die fast unbewußte Assoziationsreihe von "Sache", "Substanz", "wahrhaf wirklich" und "sinnenhaft gegeben", die Augustin gegen seine ausdrücklichsten Intentionen für das Mittelalter mitbegründet hatte (ebd. p. 98f.).

Flasch verweist für den Substanzbegriff auf De Trin. VII 5,10; VII 6,11; IX 4,5; IX 12.18; XV 17,29.

Summa Theologiae, tertia pars

Thomas elaboriert die tridentinische Lehrmeinung über das Abendmahl:
Zunächst zu bemerken, daß das Abendmahl eine Sonderstellungunter den Sakramenten hat.
sth III, 65, 3, respondeo: simpliciter loquendo, sacramentum Eucharistiae est potissimum inter alia sacramenta.
Unter Verwendung eines sehr allgemeinen Zeichenbegriffs stellt Thomas fest,bei Sakramenten handle es sich prinzipiell um Zeichen des Heiligen. Damitist aber nicht gesagt, daß sie als bloße Symbole anzusehen seien; vielmehr als Realitäten, die eben etwas bedeuten oder sogar bewirken.
sth III, 60, 2, respondeo: nunc loquimur de sacramentis, secundum quod important habitudinem signi; et secundum hoc sacramentum ponitur in genere signi.
Wie man 'gesund' verschieden zusprechen kann (insb. Medizin gesund nennt), so werdeauch eine je konkrete Sache Sakrament genannt: sic igitur sacramentum potest aliquid dici, vel quia (...), vel quia habet aliquem ordinem ad sanctitatem, vel causae, vel signi, vel secundum quamcumque aliam habitudinem.

Mehrere Aussagen mit eher anekdotischem Wert werden über die Einzelheitender consecratio des Brotes und Weines zum Leib und Blut Christi macht er im Folgenden.
sth III 74 de materia eucharistiae quantum ad speciem(u.a. wieviel und was für Brot/Wein zu nehmen ist. Übrigens in Deutschland heutzutage jeder Qualitätswein zulässig)
art 5, respondeo: vino quod offertur in hoc sacramento, debet acqua misceri. Daß der Wein gemischt werden müsse, zieht für heutigeLeser gewaltige Verständnisprobleme nach sich: wenn der corpus christi mit irdischen Materien gemischt werden kann, ist anzunehmen, daß er sich aus Molekülen zusammensetzt. Außerdem muß, da der corpus christi nichtkorrumpierbar ist, Ablagerungen christlicher Materie in zunehmendem Maße entstehen, wo immer das Abendmahl in den Stoffwechsel eintritt...

sth III 76, 8: auch wenn durch ein Wunder das Brot zum Leib eines Kindes zu werden scheint, bleibt es der corpus Christi (siehe AT VII p. 255, loco panis consecrati, caro vel puer in manibus sacerdotis apparuit).
sth III 77, 4 und 5: auch der Wein qua blut Christi kann Essig werden (potest corrumpi), man kann auch andere Dinge mit ihm herstellen, non quidem novo miraculo, sed ex vi miraculi prius facti (5 respondeo).
art. 6: die species sacramentales sind auch nahrhaft.

Konkreter geht Thomas in einigen spezifischeren quaestiones auf die Umstände dertranssubstantiatio ein. sth III 75 de conversione panis et vini in corpus et sanguinem christiart. 1, videtur 3: nullum corpus potest esse simul in pluribus locis, ...
ad tertium dicendum quod corpus Christi non est in eo modo in hoc sacramento, sicut corpus in loco, quod suis dimensionibus loco commensuratur; sed quodam specialiter modo, qui est proprius hoc sacramento.
art 2, respondeo: secundo quia haec propositio contrariatur formae huius sacramenti, in qua dicitur: hoc est corpus meum, quod non esset verum, si substantia panis ibi remaneret; numquam enim substantia panis est corpus Christi; sed potius esset dicendum: hic est corpus meum.
art 3: Die Substanz des Brotes wird aber NICHT VERNICHTET. ad primum: non tamen sequitur quod annihiletur; convertitur enim in corpus Christi.respondeo: effectus sacramentum significetur per formam: neutrum autem significatur per haec verba formae: hoc est corpus meum.

Einer eher semantischen Diskussion wendet sich Thomas in den folgenden quaestioneszu.
art. 8 utrum haec sit falsa: ex pane fit corpus christividetur 1: Regel: omne enim id ex quo aliquo fit aliquid, etiam dicitur quo fit illud, sed non convertitur. Beispiele: ex albo fit nigrum => album fit nigrum; homo fiat niger aber nicht ex homine fiat nigrum. (Ar. Physik 1,Text 44 (?)) Daher: verum erit dicere quod panis fiat corpus christi, quod videtur esse falsum, ...
videtur 4: haec est falsa: panis potest esse corpus Christi. ergo haec est falsa: ex pane fit corpus Christi.
respondeo: vergleich zw. transsubstantiatio, creatio, transmutatio naturalis. Allen dreien gemeinsam: ut post hoc sit hoc (...) et quod predicti termini non sint simul. convenit autem conversio de qua nunc loquitur cum creatione, quia in neutra earum est aliquod commune subjectum utrique extremorum; (...) jedoch: (1) unum extremorum transit in aliud (...) non autem non ens convertitur in ens. In der natürlichen Veraenderung wechseln allerdings Formen, bei der Transsubst. die Substanz. (2) remanet aliquid idem, quod non accidit in creatione, (...) in hoc autem sacramentum remanet eadem accidentia. (...)sed in hac conversione, et similiter in creatione, quia nullum est subjectum, non dicitur quod unum extremum possit esse aliud (...)ad quartum: non enim haec conversio fit per potentiam passivam creaturae, sed per solam potentiam activam Creatoris.

Zur Modernität der Debatte

Im allgemeinen behauptet die thomistisch-tridentinische Lehre, die Substanz des Brotes verwandlesich restlos ist corpus christi. Dieser Sachverhalt ist es auch, der eine Interpretationdes Demonstrativpronomen in "dies ist mein Körper" kompliziert. Offenbar kommt insbesondereeine Rekonstruktion als starrer Designator nicht ohne weiteres in Frage. Die Substanz, die restlosausgetauscht wird, ist ja gerade das metaphysische Ding, das ohne Anführung jeweiligeräßerlicher Eigenschaften durch einen starren Designator denotiert wird. Die Abstraktion vonkonkreten Eigenschaften erfolgt bekanntlich durch Vorstellen kontrafaktischer Situationen:

Let's call something a rigid designator if in every possible world it designates the same object (Kripke,Naming and Necessity, Oxf. 1981 p. 48); when I say that a designator is rigid, and designates the same thing in all possible worlds, I mean that, as used in our language, it stands for a thing, when we talk aboutcounterfactual situations (p. 77).

Für Kripke wird das durch das tridentinische Konzil gestellteProblem dann wie folgt virulent:

Consider the counterfactual situation in which in place of these creatures(Katzen) - these animals - we have in fact little demons which when they approached us brought bad luck indeed (wieso unnötig kompliziert?). (...) It seems to me that these demons would not be cats. They would be demons ina cat-like form (125f.)

Ebenso wie in der Abendmahl-Debatte geht es hier um Typen, nicht um einzelnetoken, und Kripke streitet - wie Berengar - einfach ab, daß ein Satz wie "Diese Katzen sindDämonen" (entpr. Dieses Brot ist mein Körper) sinnvoll oder gar wahr wäre. Thomas mußsich diesem Problem stellen, allerdings in etwas anderer Form: es geht nur um die Einheit der suppositums(Denotats) von 'hoc' und 'corpus meum'. Der Lehrmeinung nach vollzieht sich die Transsubstantiation nämlichwährend der Ausprache des Satzes 'hoc est corpus meum', so daß ersteres tatsächlich Brot, letzteresden Leib Christi bezeichne.
sth III 78, 5, videtur 1: quando profertur hoc pronomen 'hoc', adhuc est ibi substantia panis, quia transsaubstantiatio fit IN ULTIMO INSTANTI PROLATIONIS verborum (verweis auf art. 2 der quaestio)
Thomas wendet ein - ähnlich wie später Arnauld -, daß das Wort 'hoc' an sich keinerlei Angaben über die Beschaffenheit seines Denotats macht.ad primum: 'hoc' demonstrat substantiam, sed absque determinatione propriae naturae, (...)
Das gilt im Prinzip auch für den zweiten Einwand:videtur 2: hoc pronomen 'hoc' facit demonstrationem ad sensum.ad secundum: dicendum quod hoc pronomen 'hoc' non demonstrat ipsa accidentia, sed substantiam sub accidentibus contentam, (...)
In der respensio präzisiert Thomas darüber hinaus die Möglichkeit des Zusammenhangszwischen der Referenz ohne jede Eigenschaftsannahme (durch 'hoc') und dem Denotat in der zweitenHälfte des Satzes. Der Satz, von einem authorisierten Priester gesprochen, sei nämlichals performativer Sprechakt zu verstehen.
respondeo: veritas huius locutionis non praesupponit rem significatam, sed facit eam (...) sed in generali: hoc est corpus meum, nullo nomine apposito a parte subjecti, sed solo pronomine, quod significat substantiam in communi, sine qualitate, id est, forma determinata.
Die thomistische Substanz unterscheidet sich mithin grundsätzlich von der cartesischenres extensa, da sie nicht einmal durch ihr Ausgedehntsein notwendig bestimmt ist.Bei der Diskussion der Fragen, die die offenbare Verderblichkeit des Messweins mit sich bringt,erläutert Thomas, der corpus Christi nehme Ausdehnung wie eine akzidentelle Eigenschaftan. Was den Eindruck erweckt, das Brot oder der Wein verderbe, habe nichts mit Korruption der Substanzzu tun, sondern mit einer Änderung dieser akzidentellen Eigenschaften. Das impliziert, und das ist hier das erstaunliche Resultat, daß jeder beobachtbare Wandel, dem Brot und Wein je unterliegen kann,prinzipiell durch eine Sprache beschrieben werden kann, die nicht auf substantielle Eigenschaften referiert,sondern lediglich mit Begriffen wie Ausdehnung, Geruch, Farbe, also mit Attributen arbeitet.
sth III 77, 5 videtur 1: sed speciebus sacramentalibus non subest aliqua materia, nisi corpus Christi, quod est incorruptibile.
ad primum: QUANTITAS TAMEN DIMENSIVA SUPPLET VICEM MATERIAE.
Dies ist bedeutsam, da ja Descartes die reale Außenwelt vorerst ausschließlich anhand der quantitas dimensiva der res extensa bestimmt. Damit spielt er offenbar nicht den ganzen Gewinn aus, der hier erzielt wurde: anstatt konsequenterweiseganz auf die Rede von substantiellen Attributen zu verzichten, schränkt er eine solche Redeweise lediglichstark ein. Es wäre zwar absurd, einen direkten Bezug zwischen der cartesischen Substanzlehre und der hierreferierten Diskussion zu unterstellen. Aber Descartes hat sich dennoch in interressanter Weise mit der tridentinischenAbendmahlslehre auseinandergesetzt.

Zudem bietet sich hier für Thomisten ein Anlaß, die vollständige Welt der bloß ausgedehnten Dinge zu entdecken. Es wird hier explizit gesagt, diese unterscheide sich, was das wahrnehmbare, physikalische Verhalten der Dinge angeht, in keiner Weise von einer Welt, in der substanzielle Eigenschaften vorkommen. Das heißt nicht weniger, daß für die Physik die Substanzen irrelevant sind.
Die Transsubstantiation wird so von einer Ausnahme zum Regelfall.

Or c'est ici que Descartes montre la plus grande audace, l'écart entre le naturel et le surnaturel n'importe en rien à la question, parce que la puissance ordinaire de Dieu '...nullo modo differt...' (AT VII 435,3) de sa puissance extraordinaire, puisque dans les deux cas il s'agit d'une puissance exercée de l'exterieur sur les choses (Marion, Suarez, p. 118).

Noch erstaunlicher ist aber der ziemlich genaue Hinweis darauf, wo und in welcher Form Substanzen relevant sind: im Bereich des menschlichen Handelns. Die verwandelte Substanz des Brotes ist ja nicht schlechthin unerkennbar. Ob ein Brot materiell oder göttlich ist, entscheidet sich durch die Beobachtung oder ausführung von Sprechakten, in denen es eine Rolle spielt. Das Wort des Priesters bestimmt die Substanz und läß sie auch als einziges erkennen.
In ähnlicher Weise nimmt sich Ryle das Recht, auf die Redeweise des Vorkommens von 'mental acts' zu verzichten, und dennoch zwischen 'say, babbling and talking sense' zu unterscheiden (Ryle p. 135).

Die Quartae Objectiones

Es ist insbesondere die Abendmahlsdebatte, die Arnauld zur Übernahme der cartesischen Lehre unter den Vorzeichen der Jansenitisch-katholischen Theologie veranlaßt. Für Descartes selbst siehe zunächst die Briefe AT IV, au P. Mesland, p 110 f., 161f., 344f.

Arnaulds Problem ist, dass aus der Existenz von primaeren Eigenschaften jederzeit und notwendig die Existenz einer Substanz folge:

at negat author facultates illas absque aliqua substantia cui insint, posse intelligi, nec proinde etiam absque illa existere, ... AT VII 217f.

(Dies folgt auch für Amy M. Schmitter, Formal Causation.)Descartes schreibt auch später:

quicquid est reale, potest separatim ab omnio alio subiecto existere; quicquid autem ita separatim potest existere, est substantia (AT VII 434,24).

Dies gerate mit der katholischen Lehrmeinung (z.B. sth III 77,5 ad 1) in Konflikt.
Descartes antwortet:Akzidentien ohne Substanz seien bisher nicht zum Inventar der (cartesichen) Wissenschaft gemacht worden, das sei aber etwas anderes, als sie zu bestreiten.

ac denique, es eo quod dixerim modos absque substantia cui insint non posse intelligi, non debet inferri me negasse illos absque ipsa per divinam potentiam poni posse, ... AT VII 249

Freier (liberalius) argumentiert er dann:Sämtliche feststellbaren Eigenschaften einer Substanz finden sich an deren Oberfläche (in hac sola superficie fit contactus AT VII 251), und:

ubi non video quidnam possit intelligi per speciem panis, praeter illam superficiem, quae media est inter singulas ejus particulas et corpora ipsas ambienta (ebd., Vgl Suarez, DM XXXVIII 2,8. Zum Oberflächenbegriff hier vgl. Hoffman p. 325 und AT IV 164-5)

Daher könne es keinen Unterschied für die Wahrnehmung machen, ob das Brot aus re extensa oder corpo christi sei. Die Oberfläche sei weder Teil der Substanz, noch der Umgebung, sed tantummodo terminum illum qui medius esse concipitur (...), quique nullam plane habet entitatem, nisi modalem. AT VII 151; in einem Brief an Mersenne (AT III 387) nennt Descartes diesen Oberflächenbegriff geometrisch:

elle ne differe en rien du locus Aristotelicus des escholes, ny de toutes les superficies que considerent les Geometres, ...

AT VII 433 bekräftigt Descartes, dass er den mathematischen Oberflächenbegriff meine, der nur modus eines Körpers sein könne:

sed duobus modis superficiei nomen apud mathematicos usurpatur: nempe vel (...); vel tantum pro corporis modo, ...

(Zur Unterscheidung zwischen modus und substantia: Arnauld, Logik p. 40.)Es tritt also eine Substanz an die Stelle einer anderen, ohne daß hiervon irgendetwas bemerkt werden koennte. Descartes hält damit seine Physik für kompatibel und schliesst zunächst mit dem Worten:

nam sane nullibi unquam, saltem quod sciam, docuit Ecclesia species panis et vini remanentes in Sacramento Eucharistiae esse accidentia quaedam realita, quae, sublata substantia cui inhaerebant, miraculose sola subsistant, AT VII 252.

Niemand habe je ernsthaft sagen wollen, dass die species ohne irgendeine Substanz fortdauern.
Descartes referiert hier, AT VII p. 251, auch das 13. Tridentinische Konzil, Can. 2 et 4;
Trid. Konzil, sess. 13 (aus einer Glosse zu sth III):

caput I de reali praesentia (...)
principio docet sancta synodus, et aperte ac simpliciter profitetur, in almo sancto Eucharistiae Sacramento, post panis et vini consecrationem, Dominum nostrum Jesum Christum, verum Deum atque hominem vere, realiter, ac substantialiter, sub specie illarum rerum sensibilium contineri.
caput iv de transsubstantiatione
(...) haec synodus declarat, per consecrationem panis et vini conversionem fieri totius substantiae panis in substantiam corporis christi domini nostri, et toius substantiae vini in substantiam sanguinis eius. (...)
de sacrosancto Eucharistiae Sacramento.
canon I: si quis negaverit, in sanctissimae Eucharistiae Sacramento contineri vere, realiter et substantialiter Corpus et Sanguinem una cum animae et Divinitate Domini nostri Jesu-Christi, ac proinde totum Christum; sed dixerit tantummodo esse in eo ut in signo, vel figura, aut virtute; anathema sit.
canon II: si quis dixerit, in sacrosancto Eucharistiae Sacramento remanere substantiam panis et vini una cum corpore et sanguine domini nostri Jesu-Christi; negaveritque mirabilem illam et singularem conversionem totius substantiae panis in corpus, et totius substantiae vini in sanguinem, manentibus dumtaxat speciebus panis et vini: quam quidem conversionem Catholica Ecclesia aptissime Transsubstantitionem appellat; anathema sit. (Buchenau, Meditationes p. 227: "es finde eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes unseres Herrn Christus statt, während nur die Gestalt des Brotes bleibt")
canon IV: anathema ist auch, zu behaupten, die Substanz Christi sei nur waehrend des Abendmahls realiter im Brot; vielmehr bleibt sie auch in den Resten.

Jetzt aber versichert sich Descartes lieber noch einmal der Lehrmeinung.

AT III, 340, 18. mars 1641 a Mersenne: Ie ne vous enuoye pas encore le dernier feuillet de ma response a mr. arnaut, ou i'explique la transubstantiation suiuant mes principes; car ie desire auparauant les conciles sur ce suiet, et ie ne les ay encore pu avoir.

und ein Jahr später, AT III a Mersenne, p. 545 bedankt sich Descartes für die Zusendung du concile de constance sur la condemnation de Wyclef; aber seine Meinung sei vollstaendig kompatibel mit der des Konzils.
Die Annahme, die zu realen Akzidentien führt, und die Descartes nicht teilt, ist:

tam firmiter sibi persuaderunt (die frueheren theologen) accidentia illa quae sensus movent esse quid reale a substantia diversum, ... AT VII 253

Verneint heisst dies: die accidentia, die die Sinne beeinflussen, sind nicht real von der Substanz verschieden. Damit folgt die Behebung der Schwierigkeit: da die accidentia nicht selbst real sind, ist auch leicht vorstellbar, dass etwas real verschiedenes sich nicht durch seine accidentia von anderem unterscheidet. Der Unterschied zwischen dem sacramentum vor und nach consecratio besteht eben im Widerfahrnis dieses Aktes - miraculo transubstantiationis, quod solum ex verbis consecrationis concludi potest, AT VII 254.
Siehe hierzu etwa Augustinus, In Joann. lxxx: accedit verbum ad elementum et fit Sacramentum, etiam ipsum tanquam visibile verbum, und sth III 78,5.

Aus der Logik von Port Royal (1662)

Arnauld verfügt zur Diskussion der Satzes aus Mt 26,26 über eine ziemlich modern anmutende Referenztheorie. So unterscheidet er beispielsweise den Gehalt eines Wortes (linguistic meaning oder evtl. significatio im Sinne der proprietates terminorum) von den Vorstellungen, die mit ihm verknüpft sing (nahe an Freges Sinn, Ockhams suppositio; aber auch zu Freges Vorstellung tendierend).p. 93: bzgl. 'ceci est mon corps' müsse man unterscheiden zwischen dem Gehalt des 'ceci', i.e. 'chose presente', und der Idee des Brotes, die damit assoziiert wird.

le mot de hoc (...) ne signifiera jamais qu'une idee confuse; mais ils l'eurent comme une idee ajoutee a cette idee confuse et excitee par les circonstances.

Das Demonstrativum 'hoc' darf also nicht sinngemäss ergänzt werden durch eine Deskription, sonst kommt es zu einer fallacia compositionis (indem der Satz 'das Brot ist kein Brot' zusammengenommen fü wahr gehalten wird; richtig wäre die Trennung 'das Brot(1) ist kein Brot(2)'). Arnauld bringt p. 240 ähnliche Beispiele bzgl. anderer miracles: les aveugles voient,... im Hintergrund ebenfalls: fallacia compositionis.Arnauld nennt den eigtl. Gehalt, chose presente, auch eine idee precise, p. 94.
p. 139: 'hoc' ist ein sujet confuse in dem Sinne, dass es nach Vollendung der consecration, durch Aussprache von 'hoc est corpus meum', etwas anderes bezeichnet als vorher.

ceci est mon corps (...) n'est que l'abrege de cette autre proposition parfaitement claire, ceci, qui est pain dans ce moment-ci, est mon corps dans cet autre moment; et que l'esprit supplee tout ce qui n'est pas exprime.

Die damit hinzugefuegten klaren und distinkten Ideen (140) sind nicht im Sinn von 'hoc' enthalten.

Über Descartes

Was folgt daraus? (1) nur ein geschichtliches Faktum, und zwar (2) nur in Bezug auf Descartes' veröffentlichte Meinung. Es wird hier konkret deutlich, daß Descartes seine geometrische Naturwissenschaft als eine gewissermassen oberflächliche Erzählung verkauft: innerhalb seiner Wissenschaft kommt der okkulte Unterschied zwischen göttlicher und materieller Substanz nicht vor - dennoch ist Descartes bereit, diesen anzuerkennen. Zwei Motive möglich: (1) er glaubt aufrichtig und will gerade Glaubensfragen deswegen nicht in die Überprüfung nach Regeln der empirisch-mathematischen Forschung hineinziehen, (2) er gesteht der Kirche zu, was er insgeheim aus der Welt schaffen will. In beiden Fällen gilt: Descartes' Lehre, die Natur sei nichts anderes als ein Modell der Mechanik, ist cum grano salis zu nehmen. Er verteigt nur die Korrektheit der Geometrie bzgl. dieses Modells, nicht die Vollständigkeit. Er gesteht sich oder anderen Überzeugungen zu, die sich auf nicht mathematisch darstellbare Differenzen zwischen ausgedehnten Substanzen beziehen. Das heisst aber auch: er kann im Ganzen zwar die Stringenz und Korrektheit des mathematischen Abbilds (bzw. Vorbilds) der Natur fordern, nicht aber dessen Vollständigkeit. Der Fall des Abendmahl ist nur ein etwas kurioserer als der der res cogitans, auf die sich Descartes' mathematische Erzählung als solche ebenfalls nicht erstreckt. Fraglich ist natürlich, ob die naturwissenschaftliche Unerreichbarkeit der res cogitans auch lediglich ein Dogma vom status der Abendmahlslehre ist; und in dieser Frage ist momentan noch nichts gewonnen.


 
 
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