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Previous: Menschliches in der zweiten Ich nehme also an, daß der Geist in den
Meditationen im wesentlichen das ist, was den Tod und den
Verfall des Körpers überdauert.Was für Vermögen
hat die Seele, nachdem sie ihre Verbindung zum Körper
gelöst hat?

Clerselier
berichtet folgende letzte Worte von Descartes:
So, meine
Seele, du warst lange Zeit gefangen, nun ist die Stunde, da du das
Gefängnis verlassen musst und die Umklammerung (embaras)
dieses Körpers beenden; diese Entzweiung muss mit Freude und Mut
erlitten werden.
Offenbar kann die Seele des verstorbenen Descartes auch nach oder
zumindest während ihrer Loslösung vom Leib noch Freude und
Mut empfinden. Falls sie diese auch
nach ihrer
Loslösung vom Körper empfindet, muss es sich hierbei um
unkörperliche Freude und unkörperlichen Mut
handeln. Descartes würde dann körperlich
bedingteVermögen von solchen unterscheiden, die auf den
menschlichen Körper nicht angewiesen sind.

Betrachtet man die scholastische
Diskussion etwas näher, die sich um die Beschaffenheit der
anima separata, der Seele nach dem Tod rankt, tritt
Erstaunliches zu Tage.

Thomas von Aquin hatte zugestanden,
dass die
anima separata keine Möglichkeit der sinnlichen
Wahrnehmung mehr habe. Während aber die mit dem Körper
verbundene Seele
nur anhand der körperlichen
Einbildungskraft wahrnehmen könne,

habe die
anima separata auch die
Möglichkeit, Unkörperliches zu erkennen. Sie kann dies
durch die Betrachtung ihrer selbst. Was die
anima separata auf
diesem Wege erkennen kann, schreibt er in seiner
Summa
Theologica, ist außer ihr selbst nur noch Gott:
Deus et
Anima.

Darüber, was
die
anima separata erkennen kann, hatte es allerdings
verschiedene Meinungen gegeben. Bonaventura hatte etwa geschrieben,
da der Auferstehungsleib, den die Seele nach dem jüngsten
Gericht wieder annehme, die Eigenschaften des Lichtes und der
Leichtigkeit habe, müsse die
anima separata auch diese
Eigenschaften noch erkennen. Andere haben ihr weitere Erkenntnisarten
und -gegenstände zugeschrieben.

Laut Suárez behält die Seele
nach ihrer Loslösung vom Körper alle ihre substanziellen
Eigenschaften bei. Die Trennung beziehe sich nur auf ihre
veränderlichen Eigenschaften (
modi).

Sie sei nicht mehr oder weniger
Substanz und Person zu nennen, schreibt er, und gehe ihre besondere
Verbindung zum Körper bei der Auferstehung wieder ein.

Die während der Verbindung zum
Körper erworbenen intellektuellen Erkenntnisse gehen bei der
Trennung nicht verloren, ebenso wenig der Intellekt, der Wille und
die Motivationskraft.

Sie kann weiterhin erkennen und lieben,
und zwar besser als zuvor.

Hauptgegenstände der postmortalen
Erkenntnis sind auch für Suárez Gott und die Seele
selbst.

Descartes spricht in den
Leidenschaften der Seele von rein seelischen Regungen, den
emotions interieures, die nicht von Körperbewegungen
begleitet seien.
Unser Gut und Übel hängt
hauptsächlich von den inneren Emotionen ab, die in der Seele nur
durch sie selbst erregt werden.
Die Freude und der Mut, zu
dem der sterbende Descartes seine Seele angehalten hatte,
dürften zu diesen
emotions interieurs zu zählen
sein. Ich komme hierauf am Ende dieses Kapitels zurück.

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