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anima separata Der Tod, schreibt Descartes auch in Artikel 6 der
Leidenschaften der Seele, tritt niemals allein durch das
Fehlen der Seele ein, sondern nur dadurch, dass der Körper
gewisse Dienste versagt.

Es fragt sich dann: Kann es (a) einen
lebenden Menschen ohne Seele geben oder (b) einen toten Menschen mit
Seele? Die letztere Frage beachtet eine sprachliche Konvention nicht,
die bereits im Mittelalter für Sophismen gesorgt hatte: Tote
Menschen sind nicht wirklich ,Menschen` zu nennen, sondern bestenfalls
,Leichen`.

(a) Von einer Leiche
mit Seele könnte man eventuell dann sprechen, wenn die Seele
unsterblich ist. Was nämlich mit dem Tod des Menschen endet, ist
die Einwirkung der Seele auf den Körper. Descartes schreibt in
Artikel 30 der
Leidenschaften der Seele, die Seele sei zwar
dem Ort nach nicht selbst im Körper, aber der Ort ihrer
Wirkung finde sich dort, genauer in der Zirbeldrüse.

Also verlässt genau genommen auch
nicht die Seele den Körper, indem sie etwa ihren Ort wechselt,
sondern sie unterlässt lediglich ihre Einwirkung auf ihn. Mit dem
Tod ist jegliche Verbindung zwischen Körper und Seele gekappt, so
dass es nicht richtig wäre, hier von einer Leiche ,mit` Seele zu
sprechen. Ebenso ist fraglich, ob man die überlebende Seele noch
menschlich nennen kann.Der Tod tritt ein, wenn der
Körper seine Eignung als menschlicher Leib verliert. Ebenso
verliert der unsterbliche Geist nach dem Tod seine Eignung, auf den
Körper zu wirken und von ihm Eindrücke zu empfangen. Er ist
ebenso wenig menschlich, wie die Leiche menschlich ist, denn Mensch zu
sein bedeutet, zu leben.

(b) Wie man sich einen ,lebenden`
Menschen ohne Seele vorstellen könne, beschreibt Descartes
ebenfalls in § 6 der
Leidenschaften der Seele. Ein toter
Körper unterscheidet sich, äußerlich gesehen, dadurch
von einem lebenden, dass er sich nicht von selbst bewegen kann, so wie
sich Automaten von selbst bewegen können. Das Fehlen von Bewegung
ist aber keine Folge der Abwesenheit der Seele. Bewegungen können
offensichtlich, nämlich bei Automaten, auch ohne eine Seele
erfolgen. Der Körper verliert Descartes zufolge also seine
Fähigkeit zur Bewegung unabhängig davon, ob die Seele ihn
schon verlassen hat.Was wiederum einen beseelten, also denkenden
Automaten, von einem einfach sich bewegenden unterscheiden würde,
wird in der zweiten Meditation deutlich: nichts, was man sehen
könnte.
Was sehe ich denn außer den Kleidern,
unter denen sich ja auch Automaten verbergen könnten? Aber ich
urteile, es sind Menschen. Und so habe ich das, von dem ich dachte, es
mit den Augen zu sehen, [eigentlich] nur anhand der Urteilskraft, die
in meinem Geist ist, erkannt.
Ob es sich bei Wesen, die
vor dem Fenster entlangspazieren, um Menschen oder bloß um
seelenlose Automaten handelt, kann mir also nicht durch die Sinne
vermittelt werden, sondern ich denke es dazu.Aus dem Bisherigen lassen
sich zwei Argumente gegen die Annahme entwickeln, in der zweiten
Meditation gehe es um die Psyche, das heißt um die Seele des
lebenden Menschen.
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