Next: Recht gegen NutzenUp: Das denkende Ding Previous: Was das Denkende nicht Körperliches DenkenDescartes tritt also mit seiner Wortwahl für eine Betrachtungsweise ein, die unter dem Denkenden nicht sogleich etwas Stoffliches versteht. Einigen Autoren zufolge hatte Descartes seine Begriffe selbst eine Zeit lang anders verwendet. In den Regulæ (1628), seinem frühsten philosophischen Werk, hatte Descartes die Einbildungskraft (imaginatio) als körperlich beschrieben. Er zeigt sich dort mehr als sonst an einer physiologischen Theorie der imaginatio interessiert, wohl auch weil ihn die Möglichkeit einer Erklärung des Denkens und Erkennens ausgehend von physiologischen Forschungen faszinierte. Auch in anderen frühen Schriften nimmt die körperliche Einbildungskraft einen wichtigen Ort ein. Nicht nur steht sie an entscheidender Stelle beim Hören von Musik, indem sie Töne zu Melodien zusammenfügt, auch die Mathematik und Naturwissenschaft scheint nicht ohne sie auszukommen. Die Wahrheiten der Geometrie können durch die Verwendung und Manipulation von Bildern bewiesen werden -- und die analytische Geometrie, die es erlaubt, hierauf zu verzichten, geht gerade auf Descartes zurück.Im Traité de la lumiere scheint Descartes sogar zu behaupten, eine klare und deutliche Idee des Raumes könne es ohne die körperliche Einbildungskraft nicht geben. Er empfiehlt dort, sich die Materie nicht nach Art der Philosophen als prima materia ohne jede sinnliche Qualität vorzustellen, da sonst nichts klar erkannt werden könne. Genau genommen spricht er hier jedoch nur von einer klaren Erkenntnis, also einer solchen, die ihren Gegenstand hinreichend vollständig erfasst. Und es ist gerade die Deutlichkeit ihrer Produkte, die er später den körperlichen Vermögen am entschiedensten absprechen wird, nicht die Klarheit.Ein Wandel lässt sich auch in Descartes' Gebrauch des Wortes Idee (idea) beobachten. Descartes spricht in seinen frühen Schriften von Ideen als Eindrücken oder Gegenständen der körperlichen Einbildungskraft. Er schließt sich damit einem nicht unüblichen Sprachgebrauch an. In den Regulæ schreibt Descartes allerdings bereits, dass gewisse Ideen nicht körperlich sein können und es ist interessant, seine Beispiele unkörperlicher Ideen zu lesen:(...) auch kann ich mir keine körperliche Idee ausmalen, die uns darstellen könnte, was Erkenntnis, was Zweifel, was Unwissenheit seien, ebenso was eine Handlung des Willens, die man volitio nennt, und ''Ahnliches sei, obwohl wir dies alles erkennen, und sogar so leicht, dass es dazu ausreicht, am Denken teilzuhaben.Gerade der Zweifel, die Unwissenheit und der Wille spielen in den Meditationen entscheidende Rollen beim Aufweis der Unkörperlichkeit des denkenden Geistes. Im Traité de l'homme (1633) versteht Descartes unter einer Idee einen ,Eindruck, den die Lebensgeister empfangen, wenn sie von der Zirbeldrüse ausgehen`. Noch im Discours de la Méthode (1637) hatte Descartes unter einer Idee den physischen Eindruck im Gehirn verstehen können, auch spricht er hier, in französischer Sprache, undifferenziert von Seele und Geist (âme).Während der frühe Descartes bisweilen die Ideen zu den körperlichen Bildern der Einbildungskraft schlägt, vertritt er doch schon die Auffassung, etwas am Geist, der die Ideen hat, sei unkörperlich. In der Descripiton du Corps Humain schreibt er: Wir können sehen, dass unsere Seele, insofern sie eine vom Körper verschiedene Substanz ist, uns nur dadurch bekannt ist, dass sie denkt.In den Meditationen schließlich unterscheidet Descartes konsequent und explizit zwischen der Einbildung (imaginatio) und dem Denken (intellectio), bzw. zwischen deren Produkten, den Eindrücken (imagines) und Ideen (ideæ). Ich werde diese Unterscheidung in Kürze näher erläutern.Wenn dies tatsächlich die Vorgeschichte des Beweises der Trennbarkeit von Geist und Körper ist, dann müssen wir Descartes Ablehnung der Bezeichnung anima nicht im Sinne einer These verstehen, das ganze menschliche Denken und Empfinden sei ohne den Körper möglich. Er weist nur zunehmend nachdrücklich darauf hin, dass manche Ideen nicht bildlich sind und nicht bildlich sein können, und dass dementsprechend nicht alles am Menschen einer physikalischen Beschreibung zugänglich ist. Descartes bestreitet nicht, dass Menschen eine Seele im Sinne einer anima haben, auch wenn er selbst lieber von Lebensgeistern (spiritus animales) spricht. Er bestreitet, dass das ego voll und ganz eine anima sei. Warum dies so sein muss, kann erst nach einer Erörterung der cartesischen Begriffe von Körper und ausgedehnter Substanz vollends klar werden, die ich in Kapitel 3 durchführen werde. Next: Recht gegen NutzenUp: Das denkende Ding Previous: Was das Denkende nicht |