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Attribute und modi

Ideen von Substanzen sind in einem Maße von anderen Ideen unabhängig, in denen Ideen von modi dies nicht sind. Kein modus kann ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Substanz, deren modus er ist, vorgestellt werden. Eine Substanz jedoch ist ohne bestimmten modus vorstellbar. Dem scheint zu widersprechen, dass ein denkendes Ding (res cogitans) offenbar nicht ohne das Denken Bestand haben kann. Zu Denken scheint geradezu eine substanzielle oder wesentliche Eigenschaft zu sein. Descartes unterscheidet aber in einem Brief aus den Jahren 1645-46 auch zwischen eigentlichen modi (modi propriè dicti) und Attributen im weiteren Sinne. Erstere sind veränderliche Eigenschaften im engeren Sinne, zu den Attributen zählen auch unveränderliche.gif
So werden Gestalt und Bewegung im eigentlichen Sinne modi der ausgedehnten Substanz genannt, weil derselbe Körper einmal in dieser Gestalt, einmal in jener existieren kann, mal bewegt und mal ohne bewegt zu sein, während dagegen weder diese Gestalt noch diese Bewegung ohne diesen Körper sein kann. Ebenso sind Liebe, Hass, Zustimmung und Zweifel usw. wirkliche modi des Geistes (in mente); Existenz aber, Dauer, Größe, Anzahl und alle universalia, scheinen mir nicht im eigentlichen Sinne modi zu sein, wie auch Gerechtigkeit und Mitleid usw. [nicht modi] Gottes [sind]. Im weiteren Sinne nennt man sie aber Attribute oder Erkenntnisweisen (modi cogitandi), weil wir auf eine Weise ein Ding seinem Wesen nach ansehen können, indem wir nämlich von seiner Existenz absehen, und auf andere Weise das Ding als existierendes; aber das Ding selbst kann nicht ohne seine Existenz bestehen, wie ja auch nicht ohne seine Dauer oder seine Größe usw.gif
Cogitatio und extensio sind also nicht einfach modi von Substanzen, sondern Attribute. Attribute sind, im Gegensatz zu modi, unveränderlich. Das bedeutet, dass ein ausgedehntes Ding zwar seine bestimmte Ausdehnung ändern kann, aber dennoch stets ausgedehnt bleibt. Ein Attribut ist eine unveränderliche Eigenschaften eines Dinges, indem es die Kategorie der veränderlichen Eigenschaften benennt, die dem Ding zukommen können. Daher setzen konkrete modi auch stets ein Attribut voraus.gif Descartes verwendet die Termini extensio und cogitatio als Oberbegriffe für Klassen von modi. Wenn er erläutern will, was das denkende Ding konkret tut, dann sagt er nicht einfach, es denke, sondern zählt verschiedene Arten des Denkens auf.gif Das Denkende kann ohne jede einzelne dieser konkreten Denkarten sein, aber nicht ohne jegliches Denken überhaupt. ,Jegliches Denken überhaupt` aber ist keine konkrete Tätigkeit.Zwar ist Gott die einzige Substanz, die auch tatsächlich keine modi hat,gif aber auch die anderen Substanzen, die res cogitans und extensa, sind ohne Bezug auf bestimmte modi definierbar. Descartes definiert sie im Anhang zu den zweiten Erwiderungen anhand von Klassen von modi, cogitatio und extensio.gif Modi einer bestimmten Art zu haben, ist jedoch keine veränderliche Eigenschaft, sondern im weiteren Sinne ein Attribut.Dagegen kann ein modus nicht definiert werden ohne einen Bezug auf die bestimmte Substanz, deren modus er ist. Konkret bedeutet dies, dass für die Definition eines modus immer angegeben werden muss, ob er ein Ausdehnungs- oder ein Denkmodus ist und wenn Letzteres, modus welchen Denkers er ist.In den Prinzipien unterscheidet Descartes reale von modalen Unterschieden.gif Ein realer Unterschied, schreibt er, kann nur zwischen verschiedenen Substanzen bestehen. Was die verschiedenen Arten von Substanzen unterscheidet, sind ihre jeweiligen Attribute. Eine denkende Substanz unterscheidet sich nicht erst dadurch von einer körperlichen oder einer anderen denkenden Substanz, dass sie etwas bestimmtes denkt. Denn es können durchaus zwei verschiedene denkende Substanzen inhaltlich dasselbe oder eine denkende Substanz inhaltlich verschiedene Gedanken denken. Was Substanzen voneinander unterscheidet, ist also nicht ein bestimmter modus, etwa jetzt diesen oder jenen Gedanken zu haben. Vielmehr unterscheiden sich denkende Substanzen von anderen durch ihre nicht veränderlichen Attribute, nämlich dadurch, dass sie überhaupt Denktätigkeiten als modi haben. Für den Unterschied zwischen denkenden und ausgedehnten Substanzen ist dies relativ leicht einzusehen. Descartes behauptet, dass die Klassen der Ausdehnungs- und der Denkeigenschaften disjunkt seien, wenn auch vielleicht nicht im strengen Sinne eine Zerlegung in der Menge aller Eigenschaften.gif Daraus folgt, dass denkende von ausgedehnten Substanzen verschieden sind. Ob und wie aber mehrere denkende Substanzen überhaupt voneinander verschieden sein können, ist unklar. Auf eine Möglichkeit, hier Klarheit zu schaffen, werde ich in Kapitel 5 zurückkommen.gif
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