Next: Geometrie und
NaturwissenschaftUp: Wieviele Substanzen gibt es? Previous:
Wieviele Substanzen gibt
es? In der dritten Meditation bezeichnet Descartes
unverblümt einen Stein als Substanz.
Wenn ich
nämlich einen Stein für eine Substanz halte, nämlich
für ein Ding, das in der Lage ist, von sich aus zu bestehen,
dann [werde ich auch] mich selbst für eine Substanz halten.
Paul Hoffman hat
auf weitere Stellen hingewiesen, an denen Descartes einzelne
körperliche Dinge oder deren Teile als Substanzen zu bezeichnen
scheint.

Die meisten dieser
Stellen findet sich aber in Kontexten indirekter Rede,

oder sind aus anderen
Gründen nicht besonders eindeutig. In den vierten Meditationen
bezeichnet Descartes etwa eine Hand als ,vollständige Substanz.`

Das Beispiel der Hand als
vollständiger Substanz scheint aber mehr oder weniger direkt der
Kategorienschrift des Aristoteles zu entstammen, so dass nicht klar
ist, ob sich hier cartesischer Sprachgebrauch erkennen lässt.

An anderer Stelle scheint
Descartes ein Kleid ,Substanz` zu nennen:
Ich gebe zu,
dass eine Substanz einer anderen zukommen kann; wenn auch, wo dies
vorkommt, es nicht die Substanz selbst ist, die die Form eines
Zustands (accidens) hat, sondern lediglich die Weise, in der
sie [der anderen Substanz] zukommt, [ein Zustand ist]. Wenn zum
Beispiel Kleider einem Menschen zukommen, dann sind nicht die Kleider
ein Zustand des Menschen, sondern das Bekleidetsein.
Hiermit hat
Descartes anscheinend unterstellt, ein Kleid könne eine Substanz
sein, sagt er doch in den
Prinzipien II 55, es gebe nichts
außer
modi und Substanzen:
Außer
Substanzen und ihren modi erkennen wir keine Arten von Dingen
an.
Wenn daher ein
Kleid ein Ding, aber kein Akzidens ist, muss es eine Substanz
sein. Der menschliche Körper, den es kleidet, ist dann
allerdings eine weitere Substanz, dem das Kleid in akzidenzieller
Weise zukommt. Also gibt es offenbar, in gewisser Weise, voneinander
verschiedene körperliche Substanzen.Nun hatte Descartes aber
ebenfalls in den
Prinzipien ausdrücklich festgestellt:
Es existiert im ganzen Universum eine und dieselbe
Materie, die wir stets durch dieses eine erkennen, dass sie
ausgedehnt ist.
Descartes spricht hier nur
von ,
einer ausgedehnten Sache`, die von uns und Gott zu
unterscheiden sei.

Er möchte also
im Ansatz nur eines als ausgedehnte Substanz gelten lassen und alle
abgrenzbaren körperlichen Dinge als Teile dieser Substanz. Man
muss hier wohl zwischen einer strengen und einer weniger strengen
Redeweise unterscheiden. Im Prinzip gibt es nur eine ausgedehnte
Substanz, die in der ganzen ausgedehnten Welt dieselbe ist. Aber auch
die Teile dieser einen ausgedehnten Substanz können im weiten
Sinne Substanzen genannt werden und als solche voneinander
unterschieden werden.

Wenn Descartes Kleider und Steine
Substanzen nennt, dann meint er, sie seien Teile der ausgedehnten
Welt. Sie
sind in einem gewissen Sinne die ausgedehnte
Substanz selbst und ihre Abgrenzbarkeit beruht darauf, dass diese
eine ausgedehnte Substanz an einer bestimmten Stelle
Gestalteigenschaften aufweist. In diesem Sinne ist ein Stein keine
andere Substanz als ein anderer Stein, sondern ein
eigenständiger Teil derselben Substanz mit gewissen
Eigenschaften. Jedes ausgedehnte Ding ist Teil einer
größeren ausgedehnten Substanz, indem sie Teil der
ausgedehnten Welt ist. Denkende Substanzen können dagegen nicht
ein Teil von größeren denkenden Substanzen sein, da sie
generell keine Teile haben. Wenn von mehreren denkenden Substanzen
die Rede ist, kann nicht angenommen werden, bestimmte dieser
Substanzen seien durch Eigenschaften abgrenzbare Teile einer
umfassenderen. Wenn es verschiedene denkende Substanzen gibt,
unterscheiden sie sich als Substanzen voneinander. Obwohl der gesunde
Menschenverstand die ,bestverteilte Sache der Welt ist`,

gibt es nicht eine
einheitliche Geistsubstanz, innerhalb derer einzelne denkende Dinge
abgrenzbar wären. In seiner Form kann sich das Denken gleichen,
nicht seiner Substanz nach. Auf diese Weise ergibt sich eine einfache
Klassifikation von Substanzen. Ausgedehnt zu sein, heißt
nämlich, nach Dimensionen des Raumes teilbar zu sein. Die
denkenden Substanzen wiederum sind als denkende nicht teilbar - nach
dem Grund hierfür wird noch zu fragen sein. Es ergibt sich, dass
es von eben den unteilbaren, aber endlichen Substanzen viele gibt,
von der teilbaren nur eine. Die teilbare Substanz ist aber, quasi als
Surrogat für ihre Einzigkeit, in viele unterscheidbare Dinge
aufteilbar. Allein von den
unendlichen denkenden Substanzen
gibt es nur eine, nämlich Gott.Descartes kennt also einen
grundlegenden Redebereich: den der Dinge. Er erkennt zwei Arten von
Dingen an, Substanzen und deren
modi, und er erkennt zwei
Klassen von
modi an: Denktätigkeiten und
Ausdehnungseigenschaften. Das bedeutet vor allem, dass Descartes nur
zwei eigenständige Wissenschaftsformen anerkennt: (1) die
Physik, also Geometrie und Mechanik, und (2) die Metaphysik.
Next: Geometrie und
NaturwissenschaftUp: Wieviele Substanzen gibt es? Previous:
Wieviele Substanzen gibt
es?