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Determiniertheit beiderseits

 Die beiden durch die Idealisierung getrennten Dinge, Geist und Fleisch, sind in einer interessanten Hinsicht unvollständig. Jedem für sich genommen scheint die Möglichkeit zu fehlen, Fehler zu begehen. In seinem Buch über die Rationalität der Emotionen fragt sich De Sousa, in welcher Lage sich ein Engel als reiner Geist befinden würde.
Für einen Engel kann nichts zufällig sein und nichts kann bloß durch grobes materielles Zusammentreffen festgelegt sein: Kurz, nichts kann vom Prinzip der Rationalität im Unbestimmten gelassen werden.gif
Dies ist eine Eigenschaft, die Engel überraschenderweise mit Maschinen gemeinsam haben: Sie sind vollständig determiniert, und zwar in ihrem Falle durch das geistliche Gesetz. Auch die Freiheit des cartesischen Geistes ist keine Willkürfreiheit. Was für den Geist das Richtige ist, entscheidet er nicht nach Belieben, sondern es ist ihm durch die Forderungen der Rationalität vorbestimmt. Er ist gerade dadurch vom Fleisch unabhängig, dass er sich an Standards der Richtigkeit bindet. Ein Geist, für den nicht schon durch die Standards der Richtigkeit festgeschrieben wäre, wie er entscheiden muss, wäre gar nicht im höchsten Maße frei. Descartes betont dies in der vierten Meditation:
Es ist nämlich nicht erforderlich, nach der einen oder nach der anderen Seite gleichermaßen getrieben zu sein, um frei zu sein, vielmehr wähle ich umso freier, je eher ich zu einer [Seite] neige, sei es, weil ich den Grund des Guten und Wahren offen einsehe, sei es, weil Gott meine innersten Gedanken darauf ausgerichtet hat.gif
Nun kann man fragen, ob eine solche vollständige rationale Determiniertheit für uns Menschen überhaupt vorstellbar sei.gif Zu vermuten wäre, dass es gar keinen reinen Geist geben kann, der nicht auf ein gewisses Rechtsempfinden angewiesen wäre, also dennoch auf ein Gefühl. Damit entsteht ein kompliziertes Verhältnis zwischen dem herrschenden Gesetz und den beherrschten Leidenschaften. Das Gesetz kann die Leidenschaften nur beherrschen, indem seine Anwendung durch sie unterstützt wird. Zur Anwendung, Unterstützung und Interpretation eines Gesetzes bedarf es der Gefühle. De Sousa schreibt:
Wir brauchen Emotionen (...), um in Gang zu kommen, wenn der Verstand stockt.gif
Daher zerstört die allzu weit durchgeführte Idealisierung der Schuldfähigkeit und normativen Orientierung, qua geistlichem Gesetz, gerade ihre Grundlage. Rein geistige Wesen haben keinen Bedarf nach einem geistlichen Gesetz, ebenso wenig wie rein körperliche Wesen. In diesem Sinne haben lebende Menschen den perfekten Geistern etwas voraus.
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