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(2) Die Rolle des Verantwortlichen

Soziale Rollen können geradezu als Zuschreibungsmuster von Verantwortlichkeiten verstanden werden. Verantwortung kann jemand nur in dem Maße vernünftigerweise übernehmen, in dem er Macht hat, Entscheidungen wirksam zu machen.gifDas Gegenstück zu der Verantwortung, die Menschen als Inhaber gewisser Rollen tragen, bildet das Vertrauen, das andere den Inhabern dieser Rollen entgegenbringen. Institutionen, die verantwortungsvolle Rollen an Menschen vergeben können, lösen damit in erster Linie ein Komplexitätsproblem. Verantwortung wird zur Rollenverantwortung, indem das Vertrauen nicht mehr den Menschen als solchen entgegengebracht wird, sondern den Institutionen, in denen sie eine Rolle wahrnehmen. Von ''Arzten und Anwälten pflegt man eine verantwortliche Ausübung ihrer Profession zu erwarten, ohne etwas über sie ,als Menschen` wissen zu müssen. Besonders bedeutsam ist dies für den allerorten prophezeitene-Commerce via Internet, zu dessen Abwicklung sich Institutionen anbieten, die nichts als ihren vertrauenswürdigen Namen bieten und somit auch Verantwortung für etwaigen Betrug übernehmen, der in diesem Namen geschieht. Selbstverständlich ist hier nicht mehr eine einzige Person Vertrauens- bzw. Verantwortungsträger.gifSoziale Rollen können zudem auch Verantwortung für die Taten andererMenschen mit sich bringen, etwa von Untergebenen. In solchen Fällen ist auch der Gegenstand, der verantwortet wird, nicht unmittelbar eine Entscheidung des Verantwortlichen.Die Verantwortlichkeit, die ein Mensch als Inhaber einer Rolle übernimmt, lässt sich aber letztendlich vollständig auf ihn als Menschen zurückbeziehen. Die Entscheidung, eine bestimmte institutionell vorgezeichnete Rolle wahrzunehmen war keine Entscheidung eines Menschen in dieser Rolle. Alle Verantwortung, die ein Handelnder als eine Folge dieser Entscheidung hat, trägt er unmittelbar als Inhaber der angenommenen Rolle, aber mittelbar und in erster Linie dennoch als Mensch, der die Entscheidung für die Übernahme einer Rolle zu tragen hat. Es ist eine solche persönliche Verantwortung, die in diesem Kontext relevant ist. Descartes, der sich einst in einer Notiz als maskiert bezeichnet hatte,gif sucht in der Metaphysik ein unmaskiertes ego, eines, welches keine ihm äußerliche Rolle spielt, sondern in eigener Person für sein Wissen einsteht. Zwar bedeutet gerade das Wort persona auch Rolle, aber es geht mit dieser Rolle um eine bestimmte Rolle: die des Privatmannes. Pierre Charron, der Verfasser des zu Descartes' Zeiten einflussreichen Werks De la Sagesse,gif schreibt:
Um ihn [den Menschen] gut zu kennen, muss man ihn in der Abgeschiedenheit betrachten und in seiner Haltung im Alltag. Wenn er das Haus verlässt, um in die ''Offentlichkeit zu gehen, wird er eine Posse aufführen: Haltet euch nicht damit auf; dies ist er nicht. Es ist ein ganz anderer, den ihr nicht kennen werdet.gif
Charron verfolgt ein ähnliches Ziel wie der Descartes der Meditationen. Er ist auf der Suche nach dem wahren Selbst des Menschen, dem Weisheit möglich ist.gif Weisheit ist die Kunst des integren Entscheidens,gif so dass der weise Mensch nur über einen längeren Zeitraum als persönlich und verbindlich Handelnder erkennbar ist. Wer etwas persönlich verantwortet, setzt die verantwortete Handlung in eine Beziehung zu seinen übrigen persönlichen Entscheidungen, Handlungen und Auffassungen. Die besondere Rolle des Privatmenschen bildet dadurch, indem sie bewusst eingenommen wird, das Fundament sicheren Wissens.gif
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