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Soziale Rollen können geradezu als
Zuschreibungsmuster von Verantwortlichkeiten verstanden
werden. Verantwortung kann jemand nur in dem Maße
vernünftigerweise übernehmen, in dem er Macht hat,
Entscheidungen wirksam zu machen.

Das Gegenstück zu der
Verantwortung, die Menschen als Inhaber gewisser Rollen tragen,
bildet das Vertrauen, das andere den Inhabern dieser Rollen
entgegenbringen. Institutionen, die verantwortungsvolle Rollen an
Menschen vergeben können, lösen damit in erster Linie ein
Komplexitätsproblem. Verantwortung wird zur Rollenverantwortung,
indem das Vertrauen nicht mehr den Menschen als solchen
entgegengebracht wird, sondern den Institutionen, in denen sie eine
Rolle wahrnehmen. Von ''Arzten und Anwälten pflegt man eine
verantwortliche Ausübung ihrer Profession zu erwarten, ohne
etwas über sie ,als Menschen` wissen zu müssen. Besonders
bedeutsam ist dies für den allerorten prophezeitene-Commerce via
Internet, zu dessen Abwicklung sich Institutionen anbieten, die
nichts als ihren vertrauenswürdigen Namen bieten und somit auch
Verantwortung für etwaigen Betrug übernehmen, der in diesem
Namen geschieht. Selbstverständlich ist hier nicht mehr eine
einzige Person Vertrauens- bzw. Verantwortungsträger.

Soziale Rollen können
zudem auch Verantwortung für die Taten andererMenschen mit sich
bringen, etwa von Untergebenen. In solchen Fällen ist auch der
Gegenstand, der verantwortet wird, nicht unmittelbar eine
Entscheidung des Verantwortlichen.Die Verantwortlichkeit, die ein
Mensch als Inhaber einer Rolle übernimmt, lässt sich aber
letztendlich vollständig auf ihn als Menschen
zurückbeziehen. Die Entscheidung, eine bestimmte institutionell
vorgezeichnete Rolle wahrzunehmen war keine Entscheidung eines
Menschen
in dieser Rolle. Alle Verantwortung, die ein
Handelnder als eine Folge dieser Entscheidung hat, trägt er
unmittelbar als Inhaber der angenommenen Rolle, aber mittelbar und in
erster Linie dennoch als Mensch, der die Entscheidung für die
Übernahme einer Rolle zu tragen hat. Es ist eine solche
persönliche Verantwortung, die in diesem Kontext relevant
ist. Descartes, der sich einst in einer Notiz als maskiert bezeichnet
hatte,

sucht in der Metaphysik ein
unmaskiertes
ego, eines, welches keine ihm
äußerliche
Rolle spielt, sondern in eigener Person
für sein Wissen einsteht. Zwar bedeutet gerade das Wort
persona auch
Rolle, aber es geht mit dieser Rolle um
eine bestimmte Rolle: die des Privatmannes. Pierre Charron, der
Verfasser des zu Descartes' Zeiten einflussreichen Werks
De la
Sagesse,

schreibt:
Um ihn [den Menschen] gut zu kennen, muss man
ihn in der Abgeschiedenheit betrachten und in seiner Haltung im
Alltag. Wenn er das Haus verlässt, um in die ''Offentlichkeit zu
gehen, wird er eine Posse aufführen: Haltet euch nicht damit
auf; dies ist er nicht. Es ist ein ganz anderer, den ihr nicht kennen
werdet.
Charron verfolgt ein
ähnliches Ziel wie der Descartes der Meditationen. Er ist auf
der Suche nach dem wahren Selbst des Menschen, dem Weisheit
möglich ist.

Weisheit ist die
Kunst des integren Entscheidens,

so dass der weise Mensch nur über
einen längeren Zeitraum als persönlich und verbindlich
Handelnder erkennbar ist. Wer etwas persönlich verantwortet,
setzt die verantwortete Handlung in eine Beziehung zu seinen
übrigen persönlichen Entscheidungen, Handlungen und
Auffassungen. Die besondere Rolle des Privatmenschen bildet dadurch,
indem sie bewusst eingenommen wird, das Fundament sicheren Wissens.
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