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DescartesUp: Gibt
es eine cartesische Previous: Gibt es eine cartesische Edmund Husserl hat in seiner
Krisisschrift unterstellt, eine von Descartes formulierte
Psychologie finde sich in dessen
Meditationen.
Eine Analytik des ego als der mens war offenbar für ihn
[Descartes] Sache der künftigen objektiven Psychologie. (...)
Die fundamentierenden ersten Meditationen waren demnach eigentlich
ein Stück Psychologie.
Der reine Geist des
Descartes, schreibt Husserl auch in seinen
Cartesianischen
Meditationen, sei das Abstraktum im psychophysischen
Menschen. Descartes verwechsle Letzteres mit dem transzendentalen
ego, das allein der Grund sicheren Erkennens sein
könne.

Damit betont
Husserl zu Recht, dass das
ego der Meditationen nicht mit der
Seele verwechselt werden dürfe und fordert anstelle der
cartesischen ,Psychologie` eine ,Egologie`.

In der Absicht, Descartes zu
korrigieren, schreibt er in seinen
Cartesianischen
Meditationen:
Dieses mir vermöge solcher

notwendig verbleibende Ich und sein Ichleben ist
nicht ein Stück der Welt, und sagt es: ,Ich bin, ego
cogito`, so heißt dies nicht mehr: Ich, dieser Mensch,
bin.
Ich werde in Kapitel
4 dafür argumentieren, dass der
Fehler, den Husserl hier zu Recht kritisiert, nicht ein Fehler ist,
den Descartes selbst begangen hat. Vielmehr ist Husserls Kritik an
die
Leser von Descartes zu richten, die seine Meditationen
für ,ein Stück Psychologie` gehalten haben.Anton Koch hat
bereits im vorletzten Jahrhundert versucht, die cartesische
Psychologie darzustellen. Er findet sie aber, genau genommen, nicht
vor:
Aus Descartes, für sich betrachtet, kann man
am Ende alles machen, er ist ein Embryonaltypus, dem das fertige,
individuelle Gepräge noch fehlt.
Descartes selbst hat keine
Wissenschaft namens Psychologie gekannt.

Er gebraucht den Terminus an keiner
Stelle, allerdings war dieser zu seiner Zeit allgemein nicht
üblich.

So kommt die
Psychologie unter den Wissenschaften, die Descartes im
Schreiben
an Picot aufzählt, auch nicht vor und wäre bestenfalls
einesteils der Medizin, anderenteils der Moral zuzuschlagen.

Ich werde zudem zeigen, dass nicht
einmal die Psyche als Gegenstand, sofern sie nicht mit dem rein
denkenden Geist oder der rein ausgedehnten Substanz
zusammenfällt, einen abgrenzbaren Ort in der cartesischen
Ontologie hat, so dass es eine eigene cartesische Wissenschaft
über sie geben könnte. Descartes hat hier nicht einfach
etwas übersehen oder ist einer Laune gefolgt. Vielmehr bringt er
einige Gründe gegen die Annahme vor, es könne eine
Wissenschaft von der Seele geben.

Diese werde ich in den Kapiteln
3 und
4 darstellen.In einem einfachen Sinne
gibt es also keine cartesische Psychologie. Es gibt sie nicht
als
cartesische Wissenschaft. Descartes hat weder das Psychische als
abgrenzbaren Gegenstandsbereich, noch die Psychologie als
eigenständige Wissenschaft gekannt oder anerkannt. Gerade
deswegen aber muss sich die wissenschaftliche Psychologie aber auch
mit Descartes auseinandersetzen und zu einer Auseinandersetzung muss
immer ein gemeinsamer Ansatzpunkt gesucht werden. Die Psychologie
setzt also trivialerweise an Punkten an, an denen auch Descartes
bereits angesetzt hatte. Oft teilen Theoretiker der Psychologie
gerade dadurch cartesische Grundannahmen, dass sie sich zwar gegen
Descartes stellen, ihn aber nicht vollends bewältigen.

Es gibt daher, wenn nicht eine
cartesische Psychologie, so doch wenigstens ein Interesse der
Psychologie an Descartes und daher eine Psychologie, die in gewisser
Weise von Descartes geprägt ist. Descartes hat die Psychologie
jedoch auch auf andere Weise beeinflusst. Für einige wenige
cartesische Theoriestücke hat Edward S. Reed dargestellt,
inwiefern sie in die Psychologie eingegangen sind.

Er führt insbesondere die Annahme
von Bell-Magendie von der Unterschiedlichkeit sensorischer und
motorischer Nervenbahnen und die These der spezifischen Reizenergie
von Müller auf Descartes zurück.

Er betont dabei, es sei wichtig,
Descartes bezüglich solcher überprüfbarer Annahmen
nicht als Metaphysiker, sondern als einen Psychologen zu lesen.

Viele von Descartes' Thesen, die die
Psychologie betreffen, seien als empirisch falsifizierbare Hypothesen
beabsichtigt.Descartes hat tatsächlich eine Reihe von
Untersuchungen über das Nervensystem angestellt und ist dabei
selbst nicht nur mathematisch-physikalisch verfahren.

Zwar hat er die betreffenden
Forschungen nicht selbst unter Psychologie, sondern unter Medizin
oder Physik verbucht.
De facto sind sie allerdings in die
wissenschaftliche Psychologie, wie wir sie kennen, eingegangen.Gary
Hatfield hat vorgeschlagen, die Menge der Aussagen, die sich im Werk
von Descartes finden und heute zur Psychologie gerechnet würden,
seine
Psychologie zu nennen. Auch wenn Descartes selbst
nicht von einer Psychologie gesprochen habe, schreibt Hatfield, habe
er dennoch ,,psychologische Phänomene`` erörtert.

Es wäre innerhalb einer
philosophischen Untersuchung über die moderne Psychologie
natürlich genau hier nachzufragen: Was ist ein psychologisches
Phänomen? Hier allerdings ist nicht der Ort, dieser Frage eigens
nachzugehen, so dass mit einigen Andeutungen ausgeholfen sei. In
Betracht kommen, unter anderem, Sinneswahrnehmungen, Emotionen und
propositionale Einstellungen wie Überzeugungen und
Absichten. Unter einer cartesischen Psychologie kann man dann
versuchsweise all das verstehen, was Descartes über solche
Phänomene zu sagen hatte. Zu fragen bliebe dann, ob dies, was
Descartes schreibt, kohärent und akzeptierbar, also
rehabilitierbar, ist.
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