- Ryle p. 199: Rede von the physical
world sei as philosophically pointless as would be the phrase
'the numismatic world', the 'the haberdashery world', or 'the
botanical world'.
- Kritik an der Venachlässigung
ontologischer Fragen (?): Scharlau p. 19.
Descartes
beschreibt nicht so sehr, was ist (jedenfalls ist seine Theorie
bzgl. dessen von nicht so grossem Wert heute), als vielmehr, wie unser
Wissen strukturiert ist. Er rechtfertigt die Basierung der
Wissenschaft auf der Struktur des Wissens selbst in seiner Metaphysik
(dritte Meditation). Die Wissenschaft auf die Struktur des Wissens
selbst zu gründen,heißt: Säutze anhand von
Wißbarkeitskriterien inMengen von Sätzen einzuteilen,
woraus sich verschiedene Gebiete derRealität qua
Anwendingsgebiete von Wissen ergeben. Ist ein solches Vorgehen erst
gerechtfertigt, kann nur das als Faktum gelten, dem ein Satz
oderResultat der Wissenschaft entspricht, und es kann Fakten nur in
der Art und Weise geben, wie sie der Wissenschaft entsprechen. Deshalb
ist die Geometrie nicht nur etwa geeignet,
Naturwissenschaft zu systematisieren, sondern die Gegenstände der
Natur sind
geometrisch.
Denn in der Tat: was ist jene physikslische
"Wirklichkeit", die wir von der idealen Welt der Zahlen und der
geometrischen Gegenstände zu unterscheiden,und die wir beiden,
als ein völlig Neues und Eigenes, entgegenzusetzen pflegen? (...)
Denn das Wissen von den einzelnen sinnlichen
Qualitätenläßt sich nicht in derselben Weise als
gespalten und getrennt denken,wie diese selbst sich in bestimmte
Qualitätenkreise aufteilen. (...) Die Wissenschaft (...) fordert
stattdessen eine andere, universelle Norm: eine Norm,die der
allgemeinen Natur des Denkens entspricht. (Cassirer, Descartes,
p. 50f.)
Wahrheit und Wirklichkeit sind nicht nur
durchgängig aufeinander bezogen, sondern sie sind in ihrem Wesen
und Ursprung als Eins erkannt.(ebd. p. 65)
Die Frage, wie eine
"Anwendung der Mathematik auf die Natur möglich ist,hat Descartes
nicht gestellt. Er brauchte sie nicht zu stellen: denn er erkannte
zwischen beiden Gebieten keinen Trennungsstrich (...) an
(ebd. p. 21).
Descartes unterscheidet nicht zwischen
reiner und angewandter Mathematik, d.h. bei ihm fallen intentionaler
und tatsächlicher Gegenstand von klaren und deutlichen
Begriffen zusammen (Frage: welchen Begriffen genau entspricht die
res cogitans?).Was ist, hängt also (erst einmal) davon ab,
was klar und deutlich ist. Dies
läßt sich auch stützen durch Hinweis auf den Gebrauch
der Wendung realitas objectiva AT VII
41.
Descartes erzeugt gleichsam ein Modell unserer klaren und
distinkten Ideen und gibt dies für die reale Welt aus (wie eine
Lindenbaum- oder Termalgebra).
Diesen Gedanken genauer zu
verfolgen, bringt gewisse Schwierigkeiten mit sich. Es wäre
anzunehmen, daß die Cartesische res extensa quasi ein
Termmodell zur euklidischen Geometrie ist. Diese Geometrie ist durch
Axiome und Postulate bestimmt, und Descartes kennt wenigstens zwei sie
erfüllende Modelle: die res estensa, also die ausgedehnte
Welt, und sein eigenes analytisches Modell, das mit n-Tupeln von
Zahlen anstatt mit Punkten arbeitet. Wenn nun zunächst die
Sätze der euklidischen Geometrie formaliter wahr sind, und wir
durch die veracitas dei berechtigt sind, hinter ihnen einen
realen Gehalt zu vermuten, warum fällt die Wahl dann immer schon
auf das Modell res extensa, und warum 'leben' wir in einer
ausgedehnten Welt, anstatt in einer Welt aus n-Tupeln von Zahlen? Aber
diese Frage verfehlt schon einen wichtigeren Punkt: die euklidische
Geometrie kann gar nicht formaliter angeben, wie die Welt konkret
beschaffen ist. Die Modelle, die sie auszeichnet, sind ziemlich
beliebig. Betrachtet man die Menge der Sätze, die euklidisch wahr
sein können, so läßt sich nicht ohne weiteres eine
davon als der Realität entsprechend auszeichnen.
Formal
gesprochen geht folgendes vor sich. Descartes kennt eine Menge genau
und eventuell vollständig angebbarer gewisser Sätze. Diese
Satzmenge muß, dem lumen naturale gemäß, unter
Konjunktionsbildung und Modus Ponens abgeschlossen, außerdem
widerspruchsfrei sein. Dies zeichnet sie als einen Filter in der Menge
aller Sätze aus. Bemerkenswert an der cartesischen Satzmenge ist,
daß in ihr bereits konkrete Objekte angesprochen sind. Sie
kommen nicht nur in Sätzen wie 'ich denke' und 'Gott existiert'
vor, wo man sich sicher über die Konkretion der Objekte streiten
kann, sondern vielmehr in solchen gewissen Sätzen wie 'Mir
scheint dies ein Kamin zu sein', 'ich nehme Wachs wahr' etc. Solchen
Sätzen entsprechen in naheliegender Weise die Sätze 'dies
ist ein Kamin', 'dort ist Wachs'. Dadurch scheinen bereits Kandidaten
angegeben zu sein, die in negierter oder nichtnegierter Form zur
Erweiterung des Filters zu einem Ultrafilter dienen
können. Freilich ist das nicht unproblematisch, da manche
Sätze sowohl in negierter als auch in nichtnegierter Form
inhaltlich dieselben Annahmen machen können, wie etwa 'dieses
Feuer hat aufgehört zu brennen'.
Siehe auch AT II, 268:
toute ma Physique n'est autre chose que Geometrie.
Siehe
darüber hinaus Nancy L. Maull, Cartesian
Optics, zur geometrie naturelle; AT XI, 157,
161f.
MODELLBEGRIFF
Siehe H. Freudenthal, The Concept
and the Role of the Model in mathematical andnatural and social
Sciences
Zunächst kann man Modelle in Vorbilder (Kunst,
creatio) und Nachbilder (erkenntnis) einteilen. Zum Modell als
Vorbild: Arist. Metaph. Z 7 und 8; Augustinische
Ideenlehre; darauf eingehend Leibniz; ebenso die
Unterscheidung von ideae/universalia ante rem, post rem und in re
(scotistische
Universalienlehre,
entsprechende Unterscheidungenbei
Avicenna, Averroes, Albertus Magnus
etc., siehe
Universalienstreit,
Prantl)
Außerdem
lassen sich drei Redeweisen von nachbildenden Modellen
unterscheiden:
- Naturwissenschaftlich, so wie man vom
ptolemäischen Modell für die Planetenbewegung oder dem
Bohrschen Atommodell spricht. Es geht hier umdie Modellierung
beobachtbarer Sachverhalte anhand einer theoretischen
Konstruktion.Siehe hierzu den Modellbegriff von C.F. Gauss in den
Disquisitiones circa superficies curvas, Werke 4,
p. 217f. Gemeint ist hier, daß der Mensch Dinge, die ernicht
unmittelbar einsieht, anhand einer Nachbildung versteht, die er
einsieht.
- Computermodelle. Hier wird kein
Erklärungszusammenhang mehr gefordertin dem Sinne, daß
Modell oder Modelliertes verständlich sein sollten. Es geht
lediglich um die Herstellung stellvertretender Strukturen. Ebenso
beiEmulatoren, Synthesizern, Flugsimulationen. Ein Modell hat die
Aufgabe, Datenx mit Daten y so zu korrelieren, daß ein
realistischer Eindruck entsteht.Es ist falsch oder schlecht, wenn es
mehr und auch, wenn es weniger leistet.
- Metamathematisch
(Tarski). Modell einer Struktur A ist eine andere Struktur B, die
unter einer Interpretation alle Forderungen aus A erfüllt. Dabei
ist nicht ausgeschlossen, daß B auch noch andere Forderungen
erfüllt, ausgeschlossenist lediglich, daß B eine Forderung
aus A nicht erfüllt. In einerweiteren Redeweise spricht man auch
von erfüllenden und widerlegenden Modellen.Siehe Tarski,
Contributions to the Theory of Models I, Indagationes Mathematicae 16,
1954, 572-81 (erste Verwendung des
Begr. Modelltheorie).
Bezüglich der ersten beiden Arten
von Modellen ist die Lage etwaskomplexer. Erstens gibt es zwischen
ihnen wohl Abstufungen. Zweitens läßt sich insbesondere bei
schwer überschaubaren Untersuchungsgebieten (Soziologie,
Ökonomie) das Verhältnis zwischen Theorie und
Gegenstandsbereichin 2 Schritten begreifen: (a) durch Abstraktion auf
wenige für wesentlich gehalteneDaten und idealisierende Annahmen
wird ein deskriptives Modell der Wirklichkeitgeschaffen, anhand dessen
(b) die Theorie als dieses erklärend gemessenwird. Ein solches
Modell ist zugleich als erfüllendes Modell der
theoretischenPostulate und nachbildendes Modell der Wirklichkeit zu
verstehen. Eine Reflexionüber diese Sachlage läßt sich
(evtl.) in Lehrbüchern der Ökonomiefinden. Im allgemeinen
spielen hier Prototheorien eine Rolle, die die
Modellkonstruktiontheoretisch leiten.
In
der strukturalistischen Wissenschaftstheorie bzw. der semantischen
Theorieauffassung versteht man unter einem Modell eine Struktur <
D, R >, wobei D die Domain mit Objekten einer fraglichen Theorie, R
eine Menge von Relationen in D ist (dies fällt mit dem
Systembegriff der General Systems Theory zusammen und kommt
Modallogischer Semantik recht nahe). Aufgabe dieser Modelle ist,
Theorien zu identifizieren, wobei 2 Theorien dann identisch seien,
wenn sie dieselben Modelle auszeichnen. Hier handelt es sich um
Modelle, die den cartesischen sehr nahe sind: sie sind konstruierbare
objekthafte Korrelate zu Theorien. Da wir zudem nicht über eine
einheitliche Theorie von allem verfügen, läßt sich
vielleicht sagen: insgesamt 'sind' die Modelle unserer naiven Theorien
unsere Außenwelt. Descartes
natürlich sucht nach 'dem einen' Modell.
Hinsichtlich solcher
Modelle einer Theorie, die diese dem semantischen
Theorieverständnis gemäß charakterisieren (bis auf
Isomorphie der Grundmengen), sind aber noch einige Bemerkungen zu
machen. Man kann diesem Theorieverständnis nach jede Theorie am
ehesten anhand einer Klasse von erfüllenden Modellen
beschreiben. Dabei kommt es mitunter vor, daß die Grundmenge
eines Modells Objekte enthält, die nach natürlichem
Verständnis identisch mit Objekten aus den Grundbereichen anderer
Modelle sein, oder eindeutige Beziehungen zu solchen aufweisen sollen,
wie etwa, daß sich ein Modell mit Zusammensetzungen von Objekten
aus einem anderen Modell beschäftige. Tritt dies ein, so ist die
Konsistenz der verschiedenen Modelle zueinander nicht ohne weiteres
gewährleistet. Dazu werden sogenannte constraints
eingeführt, die die fraglichen Objekte Modellinvariant in
partieller Weise festlegen. Durch solche constraints kommen
Vorannahmen über zulässige Grundbereiche in die betrachtete
Theorie, die sich nicht allein aus dem Verhältnis der Theorie zu
ihren je allgemeinst möglichen Modellen
ergeben.
Natürlich hängt dies damit zusammen, daß
sich Theoriemodelle immer auf etwas beziehen, das auch unabhängig
von der Theorie mehr oder weniger bekannt ist.
Theorien
geben uns (mathematische) Modelle der Welt, die in einer Art von
Isomorphiebeziehung bestimmte Aspekte der Wirklichkeit
repräsentieren sollen (Bartelborth p. 294).
Zudem
geben Theorien in der Regel ihre eigene intendierte Anwendung an,
d.h. sie treten mit dem Anspruch auf, bestimmte Modelle für
bestimmte Bereiche der Wirklichkeit zu liefern. Das bedeutet
auch, daß der Theoretiker selbst in der Lage ist, seine
Beobachtungen der 'Wirklichkeit' in eine Beziehung zu den Elementen
des Modells zu bringen. Dies scheint aber schwer möglich, wenn
nicht schon eine Wirklichkeit vorausgesetzt wird, die nicht mit der
Modellmenge einer Theorie identisch ist.
Der Cartesische
Modellbegriff ist dem metamathematischen nahe: er bezeichnet
dasKoordinatensystem als Modell die (axiomatischen) euklidischen
Geometrie AT VI 369ff. (genaue Stelle zu eruieren). Daß
Descartes von einem Modell nur die Erfüllungeiner endlichen Menge
von Forderungen erwartet, belegt auch der Ausgang seinerEucharistie-Diskussion in den Quartae
Responsiones.
Bemerkenswert ist hier, dass die Natur als Modell
(im metamathem. Sinne) der Wissenschaft gewonnen wird; während
doch der naive Zugang annehmen würde, der Wissenschaftler forme
ein mathematisches Modell der Natur.Bemerkenswert auch, daß die
Theorie, deren Modell die res extensa ist, besser bekannt ist,
als das Modell.
Descartes unterscheidet ja Sätze bzgl. ihrer
Gewissheit:
- Sätze über die cogitatio
selbst
- Sätze der Mathematik (d.i. über mathematische
Gegenstände)
- Sätze über den wert der Daten (in
Zusammenhang mit Theorien der Datengewinnung, Sinnestäuschung
etc.)
- Sätze ueber die Außenwelt
Daß die
Außenwelt qua ausgedehnte der Geometrie gehorcht, ist nicht
weiter fraglich (dagegen Cassirer p. 60ff.), die Kluft tut sich erst
zwischen 2. und 3. auf: wie nämlich unter den Modellen der
Geometrie ein bestimmtes auszuwählen sei. Hier braucht es
zunächst ein Argument: die Daten, die wir haben, dürfen
verwendet werden. Um dies zu etablieren, muss über alles, was das
cogitare zu leisten vermag, hinausgegangen werden (dies der
sinn der veracitas dei).Aber auch dann bleibt stets eine Klasse
von mehr oder weniger allgemeinen Modellenübrig, aus denen nicht
mit Recht ein einziges ausgewählt werden kann. Und mehr noch: die
Elemente dieser Klasse sind uns gar nicht (alle) bekannt. Es bleibt
allenfalls das Termmodell der wahren Sätze, um damit
stellvertretend zu arbeiten.
Descartes übertraegt hiermit
das thomistische Rechtfertigungsschema einer Korrespondenztheorie der
Wahrheit auf die wissenschaftliche Erkenntnis: Thomas hatte gesetzt,
Gott habe die Welt anhand von Ideen/universalia geschaffen (die
res also seinem intellectus angeglichen); der Mensch
könne nun die Wahrheit der Dinge erkennen, sobald er wiederum
seinen intellectus an die res anpasst. (sth Ia
16,1. siehe evtl. Gudrun Schulz, Veritas est adaequatio intellectus ad
rei, Mnch 1993). (Zwecks historischer Korrektheit wäre ein
ähnliches Muster bei Duns Scotus oder Suarez zu belegen.)
Das
Prinzip eines solchen Vorgehens ist: die adaequatio
nachbildender Modelle postrem aufgrund der adaequatio
vorbildender Modelle ante rem zu begründen. DiesemPrinzip
folgt auch Kant.
Indem Descartes sowohl die Ideen ante rem als auch post rem in die
menschliche cogitatio verlegt, werden beide Vorgänge
der Angleichung identifiziert. Die Welt als unbestimmte ist bereits
durch eine Klasse allgemeinsterModelle instanziiert, als bestimmte
kann sie durch die Zusatzannahme erkannt werden, dass die
Sinneseindrücke prima facie etwas über sie aussagen. Also
wird in einem ersten Schritt der zu erforschende Bereich qua res
extensa an den Intellekt angeglichen: dadurch werden die
geometrisch-mathematischen Wahrheiten wahr. In einem zweiten Schritt
wird die so entstandene allgemeinste Modellklasse der Geometrie
eingeschränkt, indem sie mit den Sinnesdaten in Einklang gebracht
wird.
Wissenserwerb bedeutet also nicht (einfach) Entwicklung
von Theorien und deren Anwendung auf die Aussenwelt, sondern
unmittelbar Modifikation der Aussenwelt qua Element derKlasse der
Modelle der Geometrie. Anders gesagt: ein unspezifisches Modell der
Geometriewird anhand von Beobachtungen (und Annahmen über den
Wert dieser Beobachtungen) spezifiziert.
In diesem Sinne
unterscheidet sich Erkennen auch nicht mehr sichtlich vom Handeln (!):
beides modifiziert die Außenwelt, und dies mit mehr oder weniger
viel Erfolg.Der Unterschied zwischen Handlung im engeren Sinne und
Beobachtung ist freilich klar, aber innerhalb der Handlungen weiten
Sinnes: ich handle im engeren Sinne, wenn ich nicht bloß mein
Weltbild aendere (d.h. das Modell spezifiziere), sondern dies derart,
daß ich auch für wahr halte, dazu motorisch
beizutragen. Ein Verantwortungsbegriff ist
ohnehin allgemein für epistemische wie praktische Einstellungen
zur Welt konzipierbar.
Frage dazu: wie unterscheidet Descartes
Erkennen von Handeln?
METHODOLOGISCHE KONSEQUENZEN
Da
ein empirischer Forschungsgegenstand nur qua allgemeinstes Modell
einer Gattung klarer und distnkter Ideen bestehen kann, kann nicht
über beliebige Dinge empirisch geforscht werden. Insbesondere
kann nicht die bona mens selbst Gegenstand der Empirie sein. Man kann
die Welt also nicht beschreiben, indem man sich selbst als ihrem Teil
ansieht. (Blinder Fleck?)