Daniel Goleman, Emotionale Intelligenz, München 1995.

  • p. 48: Zusammenarbeit Emotion - Vertand qua Mandelkern - Kortex.
  • p. 213: Zusammenarbeit Seele - Körper qua limisches System / ZNS - Immunsystem.
  • Alexithymie: p. 72.
  • Somatisieren: p. 73.
  • 'Fließen', 'Bewußtsein von sich selbst verlieren': p. 119f.
  • 'automatische Gedanken' (Aaron Beck): p. 176.
  • p. 77: Jede Emotion kann unbewußt sein - und oft ist sie es auch.

Notizen

  • Ständig zu 'Somatisieren', wie dies Goleman nach Physiologenart tut, zeugt nicht gerade von emotionaler Intelligenz.
  • Aus der Erfahrung einer gesellschaftlichen Krise (p. 7) hätte kein Buch geschrieben werden bracuhen, daß die Vorgänge physiologisch erklärt. All dies hätte uns Goleman ersparen können, da es den gewöhnlichen Menschen zu nicht anzuleiten vermag.

Emotionale Intelligenz zeigt sich in drei Fähigkeiten:

  1. Triebkontrolle und Selbstbeherrschung, Willenskraft (p. 357),
  2. Anerkennung und Verstehen von eigenen Emotionen,
  3. Empathie: Die Fähigkeit, Gefühle aus nonverbalen Hinweisen abzulesen (p. 128), erlernt (p.147).

Die emotionale Intelligenz ist eine Metafähigkeit, von der es abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den reinen Intellekt, zu nutzen verstehen (p. 56).

Es gibt ein altmodisches Wort für die Gesamtheit der Fähigkeiten, welche die Intelligenz der Gefühle darstellt: Charakter (p. 356).

Mitunter gerät die Bezeichnung 'Intelligenz' in die Nähe okkulter Kräfte: 'Wer soziale Intelligenz besitzt, kann ohne Schwierigkeiten Verbindungen zu anderen herstellen' (p. 154).

Emotion bestimmt Goleman wie folgt:

Ich verstehe unter Emotion ein Gefühl mit den ihm eigenen Gedanken [vgl. Dorschel], psychologischen und biologischen Zuständen sowie den ihm entsprechenden Handlungsbereitschaften [vgl. Ryle] (p. 363).

Emotionen lassen sich in acht 'Grundfamilien' einteilen:

  1. Zorn,
  2. Trauer,
  3. Furcht,
  4. Freude,
  5. Liebe,
  6. Überraschung,
  7. Ekel,
  8. Scham.

Zum Ansatz

Golemans Anliegen ist ziemlich multipel. Der Klappentext verspricht dem Leser erstens 'Erfolg im Leben'. In der Einleitung formuliert Goleman zweitens:

Die Frage ist: Wie läßt sich Intelligenz in unsere Emotionen bringen - und Höflichkeit auf unsere Straßen (...)? (p. 15)

Diese Frage beantwortet Goleman ansatzweise im fünften Teil, in dem er eine Erziehung charakterisiert, die zu emotionaler Kompetenz führen könne. Die Forderung nach emotionaler Kompetenz wird eingangs mit der 'Erfahrung einer Krise' motiviert (p. 7). Was er fordert, ist zunächst eine rationale (in seinem Fall schriftliche) Auseinandersetzung mit den Emotionen ('drängendes moralisches Gebot', p. 12). Es geht darum, planvoll mit Enotionen umzugehen und ihren Wert zu erkennen. Beistand erhofft und verschafft er sich bei Evolutionsbiologen (p. 20 passim) und Neurophysiologen.
Der Gegenstandpunkt, gegen den Goleman sich drittens zu wenden beansprucht, bekommt das Etikett IQ, vertritt aber eine damit wenig zusammenhängende These: daß Intelligenz angeboren sei (p. 12). Daß dies nicht der Fall sei, oder daß dies im Fall der Emotion nicht der Fall sei, soll ein Kapitel mit dem Titel 'Temeperament ist kein Schicksal' zeigen (p. 271ff.). Goleman nimmt, was den IQ angeht, Ausgang bei Forschern, die die Kriterien für Intelligenz selbst ändern wollen, weicht aber, unvermerkt, in einem marktstrategisch wirksamen Punkt ab: er nennt die Fähigkeit, die ein besserer IQ messen würde, nicht mehr einfach Intelligenz (p. 64f.). Hauptsächlich ist Goleman an der rationalen Durchdringung unseres Wissens von Emotionen gelegen.

Kurz, allzu oft gehen wir an Probleme der Postmoderne mit einem emotionalen Repertoire heran, das auf die Bedürfnisse des Pleistozäns zugeschnitten war. Dieses Mißverhätnis bildet den Kern meiner Untersuchung (p. 21).

Unklar ist, wie dies gemeint sei: ein Mißverhätnis als Kern der Untersuchung. Der Rest der Schrift beschäftigt sich nicht mit der Darstellung oder Auflösung dieses Mißverhätnisses. Vielmehr wird der Gegensatz zwischen alten und neuen Hirnstrukturen einerseits mit dem zwischen Rationailtät und Emotion, andererseits dem zwischen Kognition und vegetativer Funtion parallelisiert. Diese Gegensätze werden jeweils diskutiert. Dabei ist der Punkt, daß gewisse physiologische Vorgänge, die bisher für rein emotional gehalten wurden, einer gewissen Rationalität nicht entbehren, oder daß auch das sogenannte vegetative Nervensystem kognitive Funktionen wahrnimmt. Damit verteidigt Goleman aber nicht Damasios stärkere These: daß sich Rationalität und Emotionalität nicht sinnvoll trennen lassen. Damasio betont, daß das sogenannte rationale Denken sich entscheidend auf ältere Hirnschichten stütze, und behält offenbar dennoch die Klassifizierung dieser Hirnschichten als Arational bei. Dadurch fällt die Unterscheidung zwischen Rationalem und Arationalem in sich zusammen (p. 48). Goleman geht es im Gegenteil gerade darum, daß sich rationales Denken sie Emotion zum verstehbaren Gegenstand macht.

Wir haben in einem ganz realen Sinne zwei Seelen, eine denkende und eine fülende (p. 25).

Mit 'Seele' meint Goleman: halbwegs autonome operationale Zusammenhänge von Hirnstrukturen. Im anderen Zusammenhang vertritt Goleman indirekt die Auffassung, die Seele beeinflusse den Körper, geht dann aber dazu über, den Einfluß des Zentralnervensystems auf das Immunsystems zu schildern (p. 212f.). Das wiederum beläuft sich auf nicht mehr als eine begriffliche Korrektur: das sogenannte 'autonome Nervensystem' ist gar nicht autonom (p. 214).Die Wissenschaften etwa seien jetzt 'endlich' in der Lage, das Gehirn einigermaßen genau zu kartographieren (p. 12). Was würde denn uns eine Karte des Gehirns helfen? Goleman will 'wissenschaftliche Einsichten' (p. 13) über Emotionen vermitteln, ohne daß er zuvor klärt, (a) was das hilft, (b) wie eine Wissenschaft von Emotionen auszusehen hätte: Natur- oder Geisteswissenschaft? Damit will Goleman unser Verständnis für die 'inneren Gefühle' verbessern. Dazu erscheint ein physiologischer Ansatz nicht prima facie geeignet. Ein Hinweis auf unmittelbare Nutzbarkeit physiologischer Theorien findet sich auf p. 81: Man erkenne, wann man lieber zum Doktor gehen solle. Goleman zeiht jedoch auch mit Leichtigkeit Schlüsse auf den Sinngehalt wissenschaftlicher Einsichten:

Die rationale Seele kann eine Gratifikation aufschieben und einen Impuls übergehen; die emotionale Seele folgt den Launen und Begierden. Die rationale Seele kann langfristige Pläne machen, die emotionale Seele sieht nur den Augenblick (p. 25).
Die emotionale Seele ist sehr viel schneller als die rationale Seel, sie handelt augenblicklich (p. 366).

Das 'emotionale Gehirn', schreibt Goleman später, sei auf 'das eingestellt, was Freud den "Primärprozeß" genannt' habe (p. 263). Als 'wissenschaftliche' Basis dient McLeans Hypothese von den '3 Hirnen': Stammhirn, limbisches System, Kortex (p. 26f.). Goleman parallelisiert:

  • Neokortex - 'voluntas' - (körperlicher) Intellekt. p. 46: neokortikale Prozesse zügeln Emotion.
  • limbisches System - 'spiritus animales' - Unbewußte und körperliche Hirnvorgänge. p. 76: 'limbische Impulse aus dem Bauch'. Wichtig ist, daß das limbischen System für Evolutionsgeshichtlich älter gehalten wird, daher die Rede von seiner Primitivität.

Solche Theorien stützen sich einerseits auf Evolutionsgeschichtliche Spekulation, andererseits auf 'negative Belege', indem sie auf Beobachtungen an Menschen beruhen, die Defekte in den entsprechenden aufweisen. Damit ist bestenfalls gezeigt, daß das limbische System notwendig für das Haben von Emotionen ist. Nicht gezeigt ist, daß es hinreicht.Quasi die Zirbeldrüse des Unterbewußtseins stellt der 'Mandelkern' dar, der 'Sitz jeder Leidenschaft' (p. 32). Goleman schreibt übertreibend:

Wenn das emotionale Gefühl das rationale Denken verdrängt, hängt alles von der jetzt entdeckten Rolle des Mandelkerns ab (p. 34).

Das rationale Denken setzt Goleman wiederum mit dem Tätigsein 'höherer Kortexbereiche' gleich (p. 38).Goleman verwirrt die Kategorien in beispielhafter Weise, wenn er etwa einen Fall schildert und fragt:

Was ließ ihn ins Wasser springen, ehe er wußte, warum? Es war sehr wahrscheinlich sein Mandelkern (p. 35).

Der Grund, den der springende nachträglich für sein impulsives Handeln erkennt, ist nicht der Mandelkern, sondern, daß ein Kind gerettet werden mußte. 'Gute Gründe lokalisiert Goleman p. 83 im Neokortex. Genauer wäre aber zunächst:

Der Grund war die Tatsache, daß ein Kind gerettet werden mußte.

In welcher Form kann eine solche Tatsache mit dem Mandelkern zusammenhängen? Goleman schreibt, der Mandelkern habe dies erkannt, bevor der Kortex darüber ein Urteil habe fällen können. Wenn der Mandelkern aber selbst keine Urteile fällen kann, dann kann er auch keine Wahrnehmungsurteile fällen, also auch nichts erkennen. Was der Mandelkern tat, war schlicht: Impulsenergien zu bündeln und weiterzuleiten. Abgesehen davon leistet auch der Kortex nichts weiter, auch er fällt keine Urteile. Was der Mann, betreits im Wasser, erkannte, war weder, daß sein Mandelkern etwas geleistet hatte, noch, daß sein Kortex jetzt etwas leistet. Auch ist das Erkennen des Grundes nicht etwas, das nur der Kortex getan hätte. Goleman nimmt hier eine unter Psychologen übliche Rhetorik wörtlich:

Wird eine Emotion ausgelöst, stellen die Präfrontallappen sogleich eine Art Kosten-Nutzen-Analyse aller erdenklichen Reaktionen auf und wetten, daßeine von ihnen die beste ist (p. 45).

Dies, bemerkt Goleman, sei 'Spekulation', womit er zugleich den echten Sinn solcher Redeweise verfehlt. Es handelt sich nicht um 'Spekulation', so wie sie Goleman wahrscheinlich versteht, sondern um simple mathematische Entscheidungstheorie. Die analytische Geometrie betreibt auch keine Spekulationen derart, daß Flächen eigentlich aus Zahlen bestünden. Goleman aber eignet sich die spekulative Redeweise an.

Der Mandelkern schlägt vor, der Präfrontallappen entscheidet (p. 48).

Goleman nimmt dies zum Anlaß folgenden Ratschlag zu geben: Seine Gefühle erkenne man dann am besten, wenn man nicht urteile. Er arbeitet hier mit der Gleichsetzung physiologischer und psychologischer Faktoren. Da das Urteilen nur im Kortex geschieht, und das Fühlen im Mandelkern, erkennt man am besten die Produkte des Mandelkerns, die Emotionen, indem man nicht urteilt. Das kann als Ratschlag nach Art der Küchenpsychologie durchgehen, aber erstens entspricht es nicht Golemans genereller Stoßrichtung, das Urteilen zu unterlassen, zweitens ist unklar, wie das vor sich gehen soll: Erkennen, ohne zu Ureilen. Werturteile sind offenbar nicht einmal gemeint, denn diese bringen ja gerade Gefühle ans Licht. Was Goleman offenbar meint: wir müssen es zunächst unterlassen, unsere Gefühle kohärent in unsere Selbstbeschreibung zu integrieren. Damit muß aber Großes geleistet werden: ich soll mir einer Regung bewußt sein, ohne mir schon dieser Regung nur als Ausdruck meiner Person bewußt sein zu wollen.


 
 
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