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lesen Einerseits wird
Descartes gerne als Folie für eine Kritik an der Entwicklung der
neuzeitlichen Gesellschaft genutzt.

Das bietet sich an, da er Gedanken
präzise und gewissenhaft formuliert, die am Anfang einer
folgenreichen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und
industriellen Entwicklung stehen. Viele Folgen dieser allgemeinen
gesellschaftlichen Entwicklung können anhand einer ,Symbolfigur
Descartes` erörtert werden. Dazu gehören etwa die
Universalisierung der Geldwirtschaft und damit zusammenhängend
die Quantifizierbarkeit beliebiger Sachen oder die Entwicklung der
mathematischen Naturwissenschaft, die im 19. Jahrhundert sich an die
Erforschung des Psychischen nach Vorgaben der mathematischen und
physikalischen Berechenbarkeit gemacht hat. Man kann die Anfänge
solcher Entwicklungen neu bewerten und ihren Ursprung in Europa zu
Descartes' Zeit verorten.

Es wird hier allerdings verfahren, als
könne man Kulturkritik in zwei Schritten
üben. Zunächst wird gleichsam der Geburtsfehler der
neuzeitlichen Zivilisation in Descartes' (oder Bacons etc.)
Philosophie lokalisiert. In einem weiteren Schritt versucht man dann,
die cartesische Philosophie selbst aus guten Gründen für
verfehlt zu erklären. Sollte sich aber tatsächlich
herausstellen, dass Descartes oder andere eine kulturelle Entwicklung
initiiert haben und sie dabei einen philosophischen Fehler begangen
haben, so ist allerdings immer noch nicht viel gewonnen. Denn die
Kritik an einem Philosophen führt noch nicht automatisch zu der
Behebung eines Missstandes, auch wenn dieser auf seinem Fehler
beruht. Der verbleibende
dritte Schritt ist um einiges
wichtiger als die vorhergehenden: Es ginge darum, selbst Philosophie
zu treiben und damit alternative Entwicklungen zu ermöglichen.
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