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Weber hat den Verantwortungsbegriff nicht unwesentlich geprägt,
indem er zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik
unterschied. Was im Rahmen dieser Arbeit als Verantwortung gilt, ist
aber eher eine Mischform, gewissermaßen eine verantwortliche
Gesinnung. Da es um die vorgängige und aktive Übernahme von
Verantwortlichkeit gehen soll, werden die Folgen eines Handelns nur
relevant, indem der Handelnde schon im Voraus bereit ist, sie zu
tragen. Verantwortliches Handeln in diesem Sinne schließt also
ein Interesse für die möglichen Folgen ein, aber nur so
weit diese bekannt sein können.Weber eröffnet seinen
Vortrag über Wissenschaft als Beruf zwar mit dem
Zugeständnis, dass gute Wissenschaft nur mit Leidenschaft zu
betreiben sei. Ein leidenschaftsloser Forscher ,,bleibe der
Wissenschaft nur ja fern``.

Allerdings komme es gerade dann
hauptsächlich darauf an, ,rein der Sache` zu dienen.

Weber unterscheidet hiermit
zwischen einer angemessenen Leidenschaft, die den Wissenschaftler
dazu führt, aufrichtig und wahrhaftig zu sein, und anderen
Leidenschaften, die ihn davon ablenken würden. Damit entsteht
ein komplizierteres Bild als bei der bloßen
Gegenüberstellung von Leiblichkeit und Körperlichkeit. Der
Wissenschaftler muss sich nicht einfach von den Leidenschaften und
der Sinnlichkeit abwenden, sondern er mussverschiedene Standards der
Richtigkeit unterscheiden, die sich aus verschiedenen Leidenschaften
ergeben. Wissenschaftlich ist nur der Standard der Wahrheit, nicht
der der politischen Richtigkeit oder moralischen
Güte.Während in der Wissenschaft noch diejenigen zu Webers
Gegnern gehörten, die (a) Eingebung und Leidenschaft nicht klar
als ein sich verlieren in der Sache erkennen und (b) aus
Sacherkenntnissen weltanschauliche Anleitungen ableiten zu
können glauben, verhält es sich in seinem Vortrag zur
Politik als Beruf anders. Webers Kontrastfigur zum Politiker
ist zwar auch, wie oft bemerkt, der ,Heilige`, der nach der
Bergpredigt handelt, aber ebenso der
Beamte. Der Beamte
zeichnet sich durch eine Qualität positiv aus, die dem
Wissenschaftler zugute käme: ohne Zorn und Eifer,
sine ira et
studio, seines Amtes zu walten. Gerade darin unterscheidet sich
von ihm der Politiker.
Parteinahme, Kampf, Leidenschaft -
ira et studium - sind das Element des Politikers.
Eben aufgrund
dieser Eigenschaften steht der Politiker unter dem Prinzip der
Verantwortung.
Ehre des politischen Führers, also:
des leitenden Staatsmannes, ist dagegen gerade die
ausschließliche Eigenverantwortung für das, was er tut, die
er nicht ablehnen oder abwälzen kann und darf.
Dieses
Verantwortungsprinzip steht wohlgemerkt noch nicht im Gegensatz zu
einer Gesinnungsethik. Es ist gerade der Beamte, von dem man fordern
würde, ohne Gesinnung zu handeln,
gerade weil er ja die
Verantwortung auch nicht trägt. Im Gegenzug erscheint Politik
da, wo sie gesinnungslos betrieben wird, als verantwortungsloses
Geschäft von Beamten.

Für den Politiker ist es mit reiner
Sachlichkeit nicht getan.
Sie macht nicht zum Politiker,
wenn sie nicht, als Dienst an einer ,Sache`, auch die
Verantwortlichkeit gegenüber ebendieser Sache zum
entscheidenden Leitstern des Handelns macht.
Der Politiker hat sich also
vor derselben Sache, der er sich hingibt, zu
verantworten. Diese ,Sache` kann naheliegenderweise die
res
publica sein.

Darin liegt
für Weber auch der Grund, warum sich der Wissenschaftler nicht
vor seiner Sache verantworten muss: die ,öffentliche Sache` ist
nicht seine Sache. Trotz dieses Unterschieds folgt jedoch für
beide daraus dasselbe: Sie brauchen Augenmaß für je ihre
Sachlichkeit.

Die bekannte
Diskussion, die die Ethik der Bergpredigt von der Verantwortungsethik
abgrenzt, folgt erst bei ungefähr diesem Stand der
Problemlage. Es war bereits zu sehen, dass die Verantwortung aus zwei
Eigenarten der politischen Leidenschaft erwächst: (1) politische
Leidenschaft hat sich, um der Sachlichkeit willen und aufgrund der
Natur ihrer Sache, vor dieser zu verantworten und (2) politische
Leidenschaft ist tätig in dem Sinne, dass sie in verbindlicher
Weise die Sache ihrer Leidenschaft für die Zukunft
gestaltet. Wissenschaftliche Verantwortlichkeit müsste analog
gefordert werden, sofern (1) sie mit der Forderung nach Sachlichkeit
aus der Spezifik ihres Objekts ensteht oder (2) die Sache, der sie
dient, auch von ihr in ähnlich starkem Sinne gestaltet wird.
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